Kassel - Die MT Melsungen muss den TVB Stuttgart in der Handball-Bundesliga auch weiter als Angstgegner betrachten. Einmal mehr entführten die Schwaben beim 28:30 (15:15) vor leeren Rängen in der Kasseler Rothenbach-Halle beide Zähler und beendeten damit ihren Negativlauf von zuvor fünf Niederlagen in Folge.

Zu keinem Zeitpunkt vermochten die Nordhessen ihre Favoritenstellung nachzuweisen. Zu viele Fehler, vornehmlich im Angriff, prägten das Bild der Rot-Weißen. Stuttgart dagegen konnte sich auf seinen Schlussmann Johannes Bitter verlassen, der immer genau dann zur Stelle war, wenn es kritisch hätte werden können. Melsungen genügten zehn Tore von Timo Kastening nicht, die nötige Sicherheit im Vorwärtsgang zu bekommen. Erfolgreichster Schütze für die Gäste war Viggo Kristjánsson, der neunmal ins Netz traf. Angesichts des Auswärtssieges vier Tage zuvor in Essen bedeutet die heutige Niederlage gegen Stuttgart zweifelsohne ein Rückschlag für die MT.

Los ging’s gleich mit einer Glanztat von Nebojsa Simic. Der kaufte nämlich Viggo Kristjánsson einen Siebenmeter ab, noch bevor der Sekundenzeiger seine erste Runde vollendet hatte. Überhaupt waren die Unparteiischen in den ersten Minuten freigiebig mit den Duellen eins gegen eins von der Linie. Denn auf der Gegenseite nutzte Timo Kastening gleich zweimal seine Chance gegen Johannes Bitter. Dazwischen hatte Julius Kühn genetzt, so dass die Nordhessen nach fünf Minuten mit 3:1 in Führung lagen.

Sogar mit der Chance auf mehr. Aber es ging wohl gefühlt zu leicht, so dass sich schnell auch Leichtsinnsfehler einschlichen. Einen davon nutzte Patrick Zieker zum Anschluss, Kai Häfners halbherziger Wurfversuch, der für Bitter kein Problem darstellte, war der Vorlauf zum Ausgleich seines Bruders, Max Häfner (7.). In Vorlage blieb aber die MT – durch den nächsten Strafwurf von Timo Kastening. Der lieferte sich mit seinem direkten Gegenspieler Patrick Zieker ein kleines Privatduell: Ziekers drittes Tor zum 5:5 konterte Kastening mit seinem vierten, diesmal von der Außenposition: 6:5 für Melsungen (12.).

Von der Anfangsnervosität des TVB war mittlerweile nichts mehr zu erkennen. Johannes Bitter war mehrfach zur Stelle und strahlte Sicherheit aus, seine Kollegen im Feld dankten es ihm mit konsequent zu Ende gespielten Angriffen: Viggo Kristjánsson sorgte mit dem 6:7 für die erste Gästeführung. Allein Domagoj Pavlovic mit zwei sehenswerten Treffern über die für ihn „falsche“ Halbposition war es zu verdanken, dass nicht mehr passierte. Nach Gudmundur Gudmundssons erster Auszeit holte dann Timo Kastening den Vorteil für die Nordhessen zum 10:9 zurück (20.).

Es blieb eine enge Partie, obwohl die MT optisch überlegen war. Das lag an immer wieder eingestreuten Fehlern im Angriff, die dank der überragenden Form von Nebojsa Simic jedoch lange größtenteils ohne Folgen blieben, die Glanztat des Montenegriners bei Patrick Ziekers Tempogegenstoß war bereits sein neunter gehaltener Ball. Die beiden nächsten Konter von Max Häfner und wieder Zieker saßen dann jedoch und Kristjánsson stellte gar auf 12:14 (27.). Immerhin reichte es für die Hausherren zur Pause dank Julius Kühns Hammer in den Winkel und Simic‘ zehnte Parade jedoch noch zum 15:15-Remis.

Statt die zweite Hälfte bei Ballbesitz mit einer Führung zu beginnen, scheiterte Kühn an Bitter. Zarko Peshevski setzte seinen anschließenden Versuch frei vom Kreis zwar an den Pfosten, der zweite durch Viggo Kristjánsson saß dann aber. Melsungen also erst einmal wieder hintendran und nach Sascha Pfattheichers Dreher sogar mit 16:18 im Rückstand (35.). Erst Samuel Röthlisbergers Strafe brachte die MT zurück ins Spiel. Marino Maric in Umklammerung gleich zweier Gegenspieler, Arnar Freyr Arnarsson und Yves Kunkel im Nachsetzen, nachdem Johannes Bitter glänzend gegen Finn Lemke pariert hatte, drehten das Match zum 19:18 (38.).

War Simic in der ersten Hälfte noch der Fels in der Brandung für Melsungen, bekam er im zweiten Durchgang keine Hand an den Ball. Also kam nach Kristjánssons 19. Gästetreffer Silvio Heinevetter. Er blieb auch gleich zweimal siegreich und ermöglichte damit Timo Kastening dessen Tore sechs und sieben zum 21:19 (41.). Sicherheit gab das dennoch nicht. Im Gegenteil drehte jetzt der TVB wieder auf und setzte gleich vier Nadelstiche in Folge: 21:23 nach Kristjánssons ebenfalls siebten Volltreffer (47.). Melsungen leistete sich im Angriff einen Ballverlust nach dem anderen und lud die Gäste zum Kontern geradezu ein.

Mit Michael Allendorf kam ein neuer Mann aufs Feld, der sofort traf. Vorausgegangen war ein weiterer Fehlversuch von Julius Kühn, dessen Abpraller sich der Linksaußen schnappte und über Bitter ins Netz setzte. Hinten rette einmal mehr Heinevetter, der langsam an die Simic-Leistung der ersten Hälfte anknüpfte, vorn war Kastening, eingelaufen an den Kreis, erfolgreich: 23:23. Der sorgte auch für den nächsten Gleichstand, nachdem Adam Lönn getroffen hatte (53.). Die Konstanten im Spiel der Gäste hießen Kristjánsson und Bitter. Der eine traf vorn nach seinem anfangs vergebenen Siebenmeter immer wieder zuverlässig durch die kleinsten sich bietenden Lücken, der andere hielt immer wieder genau zur rechten Zeit einen Ball.

Aber auch als Sascha Pfattheicher, nach der elften Parade des Nationalkeepers, auf 26:28 erhöhte, war noch nicht alles durch. Kühn brachte die MT noch einmal ran, doch als Adam Lönn einen weiteren Tempogegenstoß zum 27:29 versenkte und Arnar Freyr Arnarsson aus kürzester Distanz in Bitter seinen Meister fand, war die Partie entschieden. Daran änderten auch die abschließenden Tore von Kai Häfner und Patrick Zieker nichts mehr.


Stimmen zum Spiel:

Gudmundur Gudmundsson: Wir sind enttäuscht vor allem mit der Art und Weise, wie wir dieses Spiel verloren haben. Ich bin sehr unzufrieden vor allem mit unserer Leistung in der ersten Halbzeit. Da haben wir allein acht technische Fehler gemacht. Und das waren keine einfachen Fehler, sondern fast alles Bälle, die wir uns haben klauen lassen und die direkt zu Gegentoren wurden. Stuttgart hat das Spiel verdient gewonnen. Wir haben zwar auch gute Chancen bekommen, aber in so einem engen Spiel tut jeder nicht verwandelte Ball umso mehr weh. Jetzt müssen wir analysieren, wo wir uns verbessern können. Nach dem Sieg in Essen ist dieses Spiel heute ein Rückschlag gewesen.

Jürgen Schweikardt: Wir sind extrem glücklich über diesen Sieg. Das waren zwei schwere Wochen für uns vorher mit katastrophalen Leistungen in den letzten Spielen. Das hat man zu Beginn des Spiels auch gesehen. Auf das Spiel, kann ich eigentlich gar nicht eingehen, sondern muss Beispiele für die mentale Stärke meiner Mannschaft bringen. Dass ein Spieler wie Adam Lönn noch gestern im Training schlecht drauf war und dann heute mit ein entscheidender Spieler für uns. Die ganze Mannschaft hat ein ganz anderes Gesicht gezeigt im Spiel. Das war absolut nicht zu erwarten, umso schöner ist der Sieg für uns.

Die komplette Pressekonferenz, an der auch Kai und Max Häfner teilnahmen, sehen Sie auf dem MT-YouTube-Kanal.


Statistik:

MT Melsungen: Simic (10 Paraden / 19 Gegentore), Heinevetter (5 P. / 11 G.) – Maric 1, Kühn 8, Lemke, Kunkel 1, Mikkelsen, Danner, Arnarsson 1, Allendorf 2, Pregler, K. Häfner 2, Fuchs, Salger, Kastening 10/5, Pavlovic 3 – Trainer Gudmundur Gudmundsson.

TVB 1898 Stuttgart: Bitter (9 P. / 28 G.), Prost (n.e.) – M. Häfner 2, Asgeirsson, Weiss 2, Faluvegi, Lönn 3, Schulze, Röthlisberger 1, Nicolaus, Zieker 6, Müller, Pfattheicher 4, Peshevski 3, Kristjánsson 9/2, Wieling – Trainer Jürgen Schweikardt.

Schiedsrichter: Mirko Krag (Frankfurt) / Marcus Hurst (Oberursel)

Zeitstrafen: 2 – 6 (Kühn 40:35 - Häfner 7:24, Röthlisberger 34:32, Faluvegi 38:56)

Strafwürfe: 5/5 – 3/2 (Kristjánsson scheitert an Simic 0:54)

Spielort: Rothenbach-Halle, Kassel, ohne Zuschauer


Das nächste Spiel:

Do., 18.02.21, 19:00 Uhr, MT Melsungen – SC DHfK Leipzig, Rothenbach-Halle Kassel