Kiel - Welch ein Kraftakt und was für ein knappes Ergebnis! Das Rumpfteam der MT Melsungen schnupperte beim Rekordmeister THW Kiel noch bis kurz vor Schluss an einer Sensation, musste sich letztlich aber mit 25:27 (10:12) geschlagen geben.

Die 9.881 Zuschauer in der nicht ganz ausverkauften Arena waren phasenweise ziemlich still als sie sahen, wie der unterbesetzte und damit krasse Außenseiter aus Nordhessen ihren Lieblingen das Leben ungewöhnlich schwer machte. Vor allem in der zweiten Halbzeit, in deren Verlauf die MT sogar fünfmal mit jeweils einem Treffer in Führung gehen konnte. Die aufgrund des Kräfteverschleißes in der Crunchtime fast unvermeidlichen Flüchtigkeitsfehler nutzten die Hausherren aus und wendeten so einem drohenden Misserfolg gerade noch einmal ab.

Beste Torschützen waren Niclas Ekberg (7/3) für Kiel und Julius Kühn (8) für Melsungen. Zum Abschluss der englischen Woche empfängt das MT-Team am Donnerstag in Kassel die TSV Hannover-Burgdorf (19:05 Uhr, Rothenbach-Halle).

Wer angesichts der vielen Ausfälle auf Seiten der MT Melsungen erwartet hatte, dass der Gast aus Nordhessen an diesem Tage beim THW Kiel von Anfang an auf verlorenem Posten stehen würde, sah sich gleich in der Auftaktphase bestätigt. Die Hausherren gingen durch Hendrik Pekeler und Steffen Weinhold schnell mit 2:0 in Führung, ehe Julius Kühn in der 3. Minute die Bremse bei der MT löste.

Während der Rekordmeister der MT mit einer 3:2:1 Formation und Routinier Domagoj Duvnjak auf der Spitze entgegentrat, operierten die Gäste zunächst mit einer 6:0-Variante, wobei jeweils Arnar Freyr Arnarsson für Domagoj Pavlovic kam. Im Tor stand Silvio Heinevetter, auf der anderen Seite erwartungsgemäß Welthandballer Niklas Landin.

Der THW bestimmte zunächst das Geschehen. Niclas Ekberg zweimal von der Siebenmeterlinie und Miha Zarabec per Schlagwurf von Rückraum Mitte besorgten nach acht Minuten dessen 5:2-Führung. Was Melsungen indes nicht verdrießlich stimmte. Denn Michael Allendorf und der eigens für einen Strafwurf eingewechselte Youngster Julian Fuchs ließen die MT den Kontakt halten (5:4, 9.).

Kurz darauf musste Domagoj Pavlovic nach einem eher harmlosen Gegnerkontakt vom Feld. Der Kroate hielt sich den Kopf, ging sogar für sieben Minuten in die Kabine. Den Ausfall des Spielmachers überbrückte die MT geschickt. Yves Kunkel übernahm die Regie und blieb nach erfolgreichem Siebenmeter – diesmal durch Tobias Reichmann – mit 7:6 (17.) dem Favoriten weiterhin dicht auf den Fersen.

Was bis dahin auf Seiten der Melsunger richtig gut aussah, wurde dann abrupt von einer Schwächephase abgelöst. Die Zahl technischer Fehler nahm zu, gleichzeitig die Dominanz der Kieler. Die ließen sich ob der Aussetzer des Gegners nicht lange bitten und schafften binnen zehn Minuten mit einem 5.0-Lauf klare Verhältnisse (12:6, 27.). War das der Anfang für eine deutliche Klatsche für die personell gebeutelte MT?

Mitnichten! Denn das Parrondo-Team zahlte zur Überraschung der Zebras mit fast gleicher Münze zurück: Zum Auftakt des Zwischenspurts trifft Alexander Petersson, dann entschärft Silvio Heinevetter einen Siebenmeter von Magnus Landin, woraufhin der zwischenzeitlich wieder zurückgekehrte Domagoj Pavlovic zum 12:8 einnetzt. Der MT-Coach bittet zum Timeout, schickt sein Männer neu instruiert wieder auf die Platte und wieder ist es der MT-Regisseur, der den richtigen Wurf ansetzt. Zur Krönung trifft Arnar Freyr Arnarsson fast aus dem Rückraum mit dem Pausenpfiff. So schaffen es die Nordhessen innerhalb von nicht einmal drei Minuten, den verdutzten Kielern mit 12:10 auf den Pelz zu rücken. Die berechtigte Frage zu diesem Zeitpunkt: Geht da heute etwa was?

Die mögliche Antwort drauf erhielt dann tatsächlich nach sieben gespielten Minuten im zweiten Durchgang verstärkt Nahrung. Domagoj Pavlovic hatte gleich den ersten Vorstoß zum 12:11-Anschluss genutzt. Niclas Ekberg konterte zwar als Einläufer geschickt, aber auch der in toller Wurflaune befindliche Julius Kühn wusste darauf wiederum eine Antwort (13:12, 32.). Weil sich die gleiche Abfolge noch einmal wiederholte, Silvio Heinevetter danach Domagoj Duvnjaks und Harald Reinkinds Rückraumwürfe entschärfte und Kai Häfner dann zweimal hintereinander erfolgreich war, hatte die MT in der 37. Minute erstmalig in dieser Begegnung mit dem 15:15 eine Pattsituation erkämpft. Die Ursachen: Die Abwehr inklusive Torhüter hatte sich wieder gefangen, arbeitete konsequent, leichtfüßig und reaktionsschnell, die Fehlerquote im Angriff war fast wie weggeblasen und die Treffsicherheit deutlich verbessert.

In der dann folgenden Viertelstunde lieferte die MT dem THW ein Duell auf Augenhöhe und ging nach einem weiteren Kühn-Treffer in der 42. Minute sogar in Führung (16:17). Der knappe Vorsprung konnte trotz jeweiliger Kieler Gegentore über die Zwischenstände 17:18, 18:19, 19:20 bis zum 20:21 verteidigt werden. Keine Frage, der THW war nun voll gefordert, hatte mit so viel Gegenwehr womöglich nicht gerechnet.

Die Spannung hielt sich bis in die Schlussphase. Denn Melsungen war beim 24:23 durch Tobias Reichmann noch immer aussichtsreich im Rennen. Filip Jicha warf den Grünen Karton, um seine Jungs für die Crunchtime einzuschwören. Was offenbar fruchtete, denn nach Wiederanpfiff verschaffte Niclas Ekberg mit dem 25:23 seinen Farben wieder etwas Luft.

Auch Roberto Garcia Parrondo setzte nochmal einen Impuls, beorderte Nebojsa Simic für Silvio Heinevetter zwischen die Pfosten und nahm nach dem 26:23 durch Hendrik Pekeler ebenfalls ein Timeout. Woraufhin das wohl frechste Tor des Tages fiel: Der Ball wandert im MT-Angriff kurz nach links und plötzlich wieder zurück auf Halbrechts, wo der von der Bank blitzschnell als siebter Feldspieler eingewechselte Alexander Petersson heranrauscht und das Leder an den verdutzten Kieler Abwehrspielern zum 26:24 in die Maschen drischt. Restspielzeit: Dreieinhlab Minuten.

Warum die Sensation letztlich doch ausblieb: Nach einem Kieler Fehlangriff leistet sich gleiches auch die MT, woraufhin im Gegenzug Linkshänder Steffen Weinhold, “abgetrieben” bis auf Halblinks, zum 27:24 einnetzt. Ein weiterer technischer Fehler der MT ermöglicht den Hausherren noch einmal Ballbesitz, den sie aber nicht nutzen können. Auf der anderen Seite schafft es Julius Kühn, mit seinem achten Tor auf 27:25 zu verkürzen, aber unterdessen hatte die Zeit für den THW gearbeitet und ihn so denkbar knapp und deshalb umso erleichterter die Ziellinie überqueren lassen. Die MT indes verließ erhobenen Hauses die Arena und hat tesich mit diesem starken Auftritt den Respekt des Gegners redlich verdient.


Statistik:

THW Kiel: N. Landin (1.-44. Min. und 55.-60. Min.; 8 P. / 21 G.), Quenstedt (44.-55. Min, 1 P. / 4 G.) – Ehrig 1, Duvnjak 3, Sagosen, Reinkind 3, M. Landin 2/1, Weinhold 5, Wiencek, Ekberg 7/3, Ciudat Benitez, Dahmke 1, Zarabec 3, Horak, Bilyk, Pekeler 2 – Trainer Filip Jicha.

MT Melsungen: Heinevetter (1.-55. Min.; 10 Paraden / 25 Gegentore), Simic (55.-60. Min.; 0 P. / 2 G.) – Maric, Kühn 8, Reichmann 4/3, Kunkel, Arnarsson 1, Allendorf 3, Kalarash 1, Häfner 2, Hörr, Petersson 2, Fuchs 1/1, Pavlovic 3, Kuntscher – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

Schiedsrichter: Martin Thöne (Lilienthal) / Marijo Zupanovic (Berlin)

Zeitstrafen: 2 – 2 Min. (Bilyk, 21:15 Min. – Reichmann, 07:37 Min.)

Strafwürfe: 4/6 – 4/4 (Ekberg scheitert an Heinevetter, 07:45 Min.; M. Jacobsen scheitert an Heinevetter, 28:18 Min.)

Zuschauer: 9.881, Arena Kiel


Das nächste Spiel:

Do., 05.05.22, 19:05 Uhr, MT Melsungen – TSV Hannover-Burgdorf