Wetzlar - Genau wie das Hinspiel gewinnt die MT Melsungen auch das Rückspiel gegen die HSG Wetzlar mit zwei Toren Unterschied. Beim 25:27 (10:14) landet das Parrondo-Team den 22. Sieg im 36. Hessenderby.

Am drittletzten Saisonspieltag in der Handball-Bundesliga überragte bei den Gästen einmal mehr Torhüter Nebojsa Simic. Vor 4.037 Zuschauern in der Buderus Arena gehörte der Montenegriner mit 16 Paraden zu den Vätern des Melsunger Sieges. Auf deren Seite war Kreisläufer Arnar Freyr Arnarsson (5 Tore) am treffsichersten. Bei den Hausherren avancierte Lenny Rubin (8) zum besten Schützen. Am kommenden Mittwoch empfängt die MT den ASV Hamm-Westfalen zum letzten Heimspiel in der Kasseler Rothenbach-Halle.

Sowohl Wetzlar als auch Melsungen musste in diesem Hessenderby verletzungsbedingt ohne einige Stammkräfte auskommen: Bei den Hausherren fehlten die Rückraumspieler Filip Kuzmanovski und Jovica Nikolic sowie Torhüter Anadin Suljakovicvan. Die Gäste indes mussten auf den Halbrechten Ivan Martinovic und Spielmacher Elvar Örn Jonsson verzichten.

Vom Anpfiff weg übernahm die von Jasmin Camdciz trainierte Mannschaft das Kommando und zeigte, dass man im vorletzten Heimspiel den gut 4.000 Fans etwas bieten wollte. Ehe die MT so richtig wach war, hatten ihr Lenny Rubin und Hendrik Wagner schon dreimal eingeschenkt. Es dauerte genau bis zur sechsten Minute, da löste Melsungens Kapitän Kai Häfner die Bremse und überwand Till Klimke zum 3:1.

Doch Wetzlar blieb auch die folgenden sieben Minuten lang in der Vorhand. Zum einen, weil sich die Melsunger Abwehr – Julius Kühn und Gleb Kalarash kamen dort jeweils für Dmitri Ignatow und Kai Häfner – noch nicht ganz gefunden hatte und nur Nebojsa Simic auf dem Posten war. Zum anderen, weil die Offensive der Rotweißen noch nicht richtig Fahrt aufgenommen hatte.

Das jedoch wurde mit zunehmender Spielzeit immer besser – das Parrondo Team machte bis Mitte des ersten Durchgangs Minute um Minute Boden gut. Und als Agustin Casado zum wiederholten Mal Arnar Freyr Arnarsson erfolgreich mit einem tollen Bodenpass bediente, den dieser wiederum verwandelte, war das Spiel völlig offen (8:8, 15. Min.). Die MT war jetzt am Drücker und wendete das Blatt zu ihren Gunsten.

Das Signal gab, wie schon so oft in dieser Saison, ein Torhüter. In diesem Fall Nebojsa Simic, der spektakulär gegen den völlig freistehenden Kreisläufer Adam Nyfjäll und wenig später in gleicher Situation auch gegen den dessen Ersatz Erik Schmidt parierte. Damit ebnete der Keeper den Weg zur Wende, die im Angriff von Julius Kühn und Arnar Freyr Arnarsson – nach einem Zauberpass von Agustin Casado hinter dem Kopf – vollzogen wurde (8:10, 19.). Das rief HSG-Trainer Jasmin Camdciz auf den Plan, der seine Schützlinge per Timeout zu entlasten versuchte.

Camdciz’s Ansprache schien zunächst zu fruchten – Magnus Fredriksen und Lukas Becher (Siebenmeter) brachten ihre Farben wieder heran (10:11, 23.). Was aber die MT nicht sonderlich beeindruckte. Denn die Schlussphase des ersten Durchgangs nutzten die Nordhessen hochkonzentriert, um wieder für einen beruhigenden Vorsprung zu sorgen: Nebojsa Simic lieferte gegen Stefan Cavor und Kenny Rubin seine Paraden Nummer sechs, sieben und acht, währenddessen vorne Gleb Kalarash – diesmal an Kreis für Arnar Freyr Arnarsson – Dimitri Ignatow per Gegenstoß und André Gomes nach Roberto Garcia Parrondos Auszeit praktisch mit dem Pausenpfiff zum 10:14 einnetzten.

Dieser Zwischenstand sollte den Rotweißen als Basis für eine ebenso erfolgreiche zweite Spielhälfte dienen. Oder etwa doch nicht? Denn wie schon zu Spielbeginn waren mit Wiederanpfiff zunächst die Grünweißen tonangebend. Lenny Rubin, Adam Nyfjäll und Stefan Cavor schafften innerhalb von nur fünf Minuten den 14:15-Anschluss. Alles begünstigt durch Melsungens Unkonzentriertheiten, die sich in zwei Ballverluste und einer ausgelassenen 100-Prozent-Chance zeigten.

Aber auch dieser Durchhänger ließ die MT nicht verzweifeln. Kai Häfner besorgte das 14:16, Julius Kühn holte einen Siebenmeter, den der von der Bank gekommen Timo Kastening souverän verwandelte und David Mandic, bestens in Szene gesetzt vom Kapitän, sorgten für einen Drei-Tore-Vorsprung (15:18, 38.). Der jedoch nur noch rund zwei Minuten bis zum 17:20 Bestand haben sollte.

Wetzlar kam wieder stärker auf: Lenny Rubin aus dem Rückraum, Erik Schmidt vom Kreis und Lars Weissgerber über Rechtsaußen waren die Schützen eines 3:0-Laufs und damit verantwortlich für den 20:20-Ausgleich (43.). Eine zwischendurch von Roberto Garcia Parrondo genommen Auszeit hatte nicht die erhoffte Wirkung entfaltet.

In der Folge blieb die Begegnung eng und damit spannend fürs Publikum. Keiner der beiden Kontrahenten konnte sich nennenswerte Vorteile verschaffen. Das 23:23 – ein von Lenny Rubin verwandelter Kempa-Trick – setzte dann jedoch bei der HSG und deren Fans zusätzliche Energien frei. Nach Gleb Kalarash’s vergebener Chance vom Kreis machte es auf der anderen Seite Adam Nyfjäll besser und traf zum 24:23 (49.). Und nochmals Pech für die MT – Julius Kühns Geschoss krachte an die Latte – im Gegenzug gelang Lars Weißgerber das 25:23 (50.). Ging Häfner & Co auf der Zielgeraden etwas die Puste aus?

Um es vorwegzunehmen: Nein! Denn auch diesen Rückschlag stecken die Nordhessen wieder weg und kämpften sich nach einem Timeout nervenstark zurück. Auch wenn zunächst ein Treffer von Kai Häfner nicht anerkannt wurde und Adam Nyfjäll zum Gegenschlag ansetzte. Doch den wusste Nebojsa Simic mit einer weiteren Glanztat zu verhindern. Agustin Casado, bis dahin Dreh- und Angelpunkt in der Melsunger Offensive und Wegbereiter der meisten Tore seiner Mitspieler, übernahm Verantwortung und erzielte den 25:24-Anschluss (52.).

Dann vereitelte “Simo” erst den Ball von seinen Landmann Stefan Cavor, kurz darauf den von Adam Nyfjäll woraufhin sich der kaum eingewechselte Domagoj Pavlovic zum 25:25-Ausgleich durchtankte. Restspielzeit: fünf Minuten und damit für beide Teams noch genügend auf der Uhr, die Partie zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Besser genutzt wurde diese Zeit von der MT. Wieder war es Regisseur Agustin Casado, der voranging und die 25:26-Führung erzwang. Und wieder war es Nebojsa Simic, der einen weiteren Wurf seines montenegrinischen Nationalmannschaftskameraden zur Wirkungslosigkeit verurteilte und zur Krönung seiner famosen Leistung auch noch gegen Mittelmann Magnus Fredriksen richtig postiert war.

Den Schlusspunkt zum verdienten MT-Derbyerfolg setzte dann Dimitri Ignatow von der Rechtsaußenposition 39 Sekunden vor dem Abpfiff zum 25:27. Der anschließende Kempa-Versuch auf der Gegenseite brachte den Gastgebern nichts mehr ein.


Stimmen zum Spiel:

Kai Häfner (MT Melsungen)

… zum Jubel mit den Fans: „Wenn so ein Spiel mit zwei Punkten belohnt wird, gerade nach so einen Kampf, es war nicht alles nicht rosig, die Fans sind happy, dann macht es bei den Fans richtig Spaß.“

… zum Torwart: „Nebojsa Simic war in der Crunch-Time da. Er macht ganz wichtige Dinger weg. Wetzlar wusste gar nicht mehr, wo das Tor steht. Das hat uns die Sicherheit gegeben und die zwei Punkte gerettet.“

Hendrik Wagner (HSG Wetzlar)

… zum Gefühl nach dem Klassenerhalt (vor dem Spiel): „Pure Erleichterung. Wir haben eine schwierige Saison gehabt. Da zähle ich auch die Fans mit rein, den Verein, die Geschäftsstelle, da sieht man wieder Lächeln und nicht so ein Kampf jeden Tag.“

Sky Experte Pascal Hens

… zur Saison der HSG Wetzlar (vor der Konferenz): „Es war eine verkorkste Saison. Untypisch für die HSG war die Heimschwäche, eigentlich hat sich jede Mannschaft dort immer schwer getan. Es war eine Saison zum Vergessen. Sie sind froh, wenn die Saison vorbei ist, man sich einmal schütteln und neu orientieren kann.“

… zur Saison der MT Melsungen (vor der Konferenz): „Wir erwarten jedes Jahr mehr von der MT Melsungen. Sie holen sich jede Saison spektakuläre Jungs dazu, als Team kriegen sie es aber, in meinen Augen, einfach nicht auf die Platte. Die Chemie irgendwie – es funktioniert nicht. Trotz der namhaften Neuzugänge für das nächste Jahr, kann ich es mir trotzdem nicht vorstellen, da es zu viele verschiedene Kulturen sind: es ist im Handball auch viel Kommunikation nötig. Für mich war es wieder eine enttäuschende Saison der MT Melsungen.“


HSG Wetzlar: Klimpke (10 Paraden / 27 Gegentore), Grazioli (n.e.) – Nyfjäll 3, Schmidt 1, O. Klimke, Becher 3/2, Weissgerber 3, Schelker, Fredriksen 2, Pluto, Wagner 1, Mellegard 1, Rubin 8, Novak, Cavor 3 – Trainer Jasmin Camdciz.

MT Melsungen: Simic (16 Paraden / 25 Gegentore), Morawski (n. e.) – Kühn 4, Malasinskas – Casado 3, Ignatow 3, Ohl, Drosten 1, Arnarsson 5, Waldgenbach, Gomes 1, Kalarash 3, Häfner 4, Kastening 1/1, Mandic 1, Pavlovic 1 – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

Strafwürfe: 2/2 – 1/1

Zeitstrafen: 6 Min. – 2 Min. (Rubin, 35:36 Min.; Schmidt, 44:21 und 57:40 – Arnarsson 45:38 Min.).

Schiedsrichter: Ramesh Thiyagarajah (München) / Suresh Thiyagarajah (Köln).

Zuschauer: 4.037, Buderus Arena Wetzlar


Die nächsten Spiele:

Mi., 07.06.23, 19:05 Uhr, MT Melsungen – ASV Hamm-Westfalen, Rothenbach-Halle Kassel

So., 11.06.23, 15:30 Uhr, HSV Hamburg – MT Melsungen, Barclays Arena Hamburg (Saisonende)