Nürnberg - Einen Punkt bringt die MT Melsungen vom Auswärtseinsatz in der Handball-Bundesliga aus Nürnberg mit. Beim 34:34, nach einer 18:15-Halbzeitführung, wären gegen den HC Erlangen jedoch eindeutig beide Zähler möglich gewesen. Zumal die Nordhessen 57 Minuten lang alles richtig gemacht und den Gegner zwischenzeitlich mehrfach mit bis zu vier Toren Vorsprung dominiert haben. Am Ende aber, als es immer enger wurde, fehlte es etwas an Cleverness, um das Spiel nach Hause zu schaukeln.

Beste Torschützen vor 4.087 Zuschauern in der Arena Nürnberger Versicherung waren Christoph Steinert (7/4) und Hampus Olsson (7/2) für die Gastgeber und David Mandic (6) und Ivan Martinovic (5/5) für die Nordhessen. Auf die warten am kommenden Sonntag im Heimspiel in Kassel die bislang ungeschlagenen Füchse aus Berlin.

Schon im Vorfeld hatte MT Trainer Roberto Garcia deutlich gemacht, dass die Begegnung in Nürnberg sehr wichtig für seine Mannschaft sei. Zudem forderte er ein, was gegen Hannover gänzlich misslungen war, nämlich höchste Konzentration von der ersten Minute an. Genau diese Vorgabe erfüllten seine Schützlinge prompt. Übrigens in etwas veränderter Besetzung gegenüber dem letzten Heimspiel. So standen in der Startsieben Torhüter Adam Morawski statt Nebojsa Simic, Kai Häfner übernahm die Halbrechte für Ivan Martinovic und Agustin Casado begann im linken Rückraum statt André Gomes.

Ivan Martinovic bescherte den Nordhessen nach gut einer Minute mit einem verwandelten Strafwurf das erste Erfolgserlebnis. Agustin Casado ließ das 0:2 folgen. Zwar antwortete Erlangen darauf mit zwei Treffen durch Simon Jeppsson und Christoph Steinert, was die Rotweißen aber nicht in ihrem Vorwärtsdrang bremste. Im Gegenteil. Mit einem 3:0-Lauf (Casado, Mandic, Martinovic) zogen sie bis zur 9. Minute auf 2:6 davon.

Die Überlegenheit Melsungens sollte eigentlich die gesamte erste Halbzeit über anhalten. Zwischenzeitlich gab es sogar zwei 5-Tore-Führungen (6:11, 15., 7:12, 16. Min.). Die Gründe: Zum einen die aufmerksame Abwehr vor dem gut postierten Adam Morawski, zum anderen ein spielfreudige Rückraumtrio, in dem Aidenas Malasinskas, Agustin Casado und Kai Häfner ein sehr flüssiges und jederzeit druckvolles Spiel aufzogen.

Erlangen schaffte es mehrere Male, den Rückstand auf zwei Tore zu verkürzen. Allerdings musste sich die MT in solchen Momenten (noch) keine größeren Sorgen machen, da sie jedes Mal eine passende Antwort fand. Aufgrund der engagierten Spielweise wurden fleißig Torwurfchancen herausgearbeitet und – ganz so, wie es Roberto Gracia Parrondo auch gefordert hatte – konzentriert genutzt. Der 15:18-Halbzeitstand spiegelt den Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten realistisch wider.

Natürlich war klar, dass sich die Hausherren damit nicht zufriedengeben würden. So zeigte Erlangens Keeper Bertram Obling nach Wiederanpfiff gleichmal dem frei vor ihm auftauchenden Julian Fuchs die Grenzen auf. Nach einer Parade auf der Gegenseite von Adam Morawski machte es dann Linksaußen David Mandic besser, er traf zum 15:19.

Sieben weitere Minuten gelang es der MT dann, den Verfolger etwas auf Distanz zu halten. Bis Hampus Olsson in der 39. Spielminute zum 21:22 Anschluss traf. Das ließ bei Roberto Garcia Parrondo die Alarmglocken schrillen, der MT Coach buzzerte zum Timeout.

Der Ordnungsruf wirkte, seine Schützlinge nahmen anschließend das Zepter wieder in die Hand und setzten sich auf 23:26 (42.) ab – unter anderem nach Toren von Augustin Casado, Gleb Kalarash und Kai Häfner.

Dass der Abstand auch in den folgenden vier Minuten noch bestehen blieb, war der Melsunger Flügelzange zu verdanken. Erst drehte David Mandic, fast von der Grundlinie kommend, mit wahnsinnigem Effet den Ball ins Tor, Wenig später war auf der anderen Seite Dimitri Ignatow erfolgreich (26:29, 46.). Es sollte allerdings der letzte Drei-Tore-Vorsprung der Gäste sein.

Das Geschehen auf dem Spielfeld wurde zusehends kleinteiliger. Der Fluss aus den vorangegangenen Passagen wurde mehr und mehr von Zweikampf-Situationen verdrängt – was zugegebenermaßen das Spannungsmoment erhöhte.

Spätestens beim 32:32-Ausgleich durch Simon Jeppsson in der 57. Minute – der erste Gleichstand in diesem Spiel – war jedem in der Arena klar: die Hausherren können das Ding noch auf ihre Seite ziehen. Deren zähes Dranbleiben trug jetzt Früchte. Die HCE-Fans witterten die große Chance für ihr Team, leisteten nun stehend lautstarke Unterstützung.

Ab da wird das Spiel zu einer nervlichen Zerreißprobe. Ivan Martinovic verwandelt 69 Sekunden vor Schluss ganz trocken einen Siebenmeter – herausgeholt durch den beherzt zum Tor drängenden Agustin Casado – zur 33:34- Führung. HCE-Trainer Raúl Alonso nimmt eine Auszeit. Kurz zuvor kassiert Nico Büdel eine Zeitstrafe - ein Wechselfehler. Erlangen kompensiert nach Wiederanpfiff durch Herausnahme des Torwarts.

Sieben Sekunden sind noch zu spielen, als Erlangens Angriff in einem Freiwurf mündet. Die MT formiert an der 6-Meter-Linie ordnungsgemäß eine Mauer. Einen Wimpernschlag vor Anpfiff des Freiwurf löst sich Augustin Casado von der Linie Richtung Erlanger Freiwurfblock, wodurch deren Ballhhalter an der Ausführung seines Wurfes gehindert wird. Die Schiedsrichterinnen zögern nicht, zücken den Roten Karton gegen völlig verdutzen Spanier und entscheiden auf Siebenmeter für den HCE. Den verwandelt Christoph Steinert zum vielumjubelten 34:34-Ausgleich.

Die prompt genommene Auszeit der MT bei noch vier zu spielenden Sekunden und der anschließende Vorstoß bringen nichts mehr ein. Statt mit zwei Punkten, die es angesichts des Spielverlaufs hätten sein müssen, nehmen die Rotweißen nur den halben Lohn nach einem insgesamt stark verbesserten Auftritt gegenüber dem letzten Heimspiel mit nach Nordhessen.


Kapitän Kai Häfner nach dem Spiel am sky-Mikrofon: "Es ist ein Punktverlust, ganz klar. Und der fühlt sich viel schlimmer an, als der in Lemgo (Anmerk.: Dort spielte die MT vor zwei Wochen 28:28). Wir waren fast die gesamte Zeit über spielbestimmend und haben zum Schluss leider ein, zwei Fehler zu viel gemacht."

Nachtrag: Bei der Entscheidung der Schiedsrichterinnen kurz vor Schluss dürften die sich auf die sogenannte „30-Sekunden-Regel“ gestützt haben, die sinngemäß besagt: „Wenn ein Abwehrspieler in den letzten 30 Sekunden die Ausführung eines formellen Wurfs (z.B. Freiwurf) verhindert oder absichtlich verzögert, wird er disqualifiziert und die gegnerische Mannschaft erhält einen Strafwurf.“


HC Erlangen: Ferlin (5 Paraden), Obling (4 P.) – Heiny, Sellin, Bialowas, Zehnder 6, Firnhaber 1, Büdel 2, Bissel 1, Metzner 2, Link 1, Jeppsson 3, Steinert 7/4, Kurch, Olsson 7/2, Zeche 4 Trainer Raúl Alonso.

MT Melsungen: Morawski (7 Paraden), Simic (2 P.) – Malasinskas 4, Casado 4, Ignatow 2, Moraes 3, Beekmann, Drosten, Arnarsson, Gomes 3, Kalarash 3, Häfner 4, Fuchs, Martinovic 5/5, Mandic 6 – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

Schiedsrichterinnen: Tanja Kuttler (Ostrach) und Maike Merz (Oberteuringen)

Zeitstrafen: 6 Min. – 2 Min. (Link, 34:31 Min. und 53:32 Min.; Büdel 59:48 Min. – Mandic, 21:56 Min.).

Disqualifikation: Casado (59:53 Min.)

Strafwürfe: 6/9 – 5/6 (Steinert scheitert an Morawski, 04:43 Min.; Olsson trifft nur die Latte, 36:33 Min. – Martinovic wirft neben das Tor, 17:31 Min.)

Zuschauer: 4.087, Arena Nürnberger Versicherung, Nürnberg


Das nächste Spiel:

So., 02.10,22, 14:00 Uhr, MT Melsungen – Füchse Berlin, Rothenbach-Halle Kassel