Ziegenhain - Nach drei Stunden Verhandlung vor dem Kreissportgericht KSG Schwalm-Eder am Montagabend in Schwalmstadt-Ziegenhain, in der die Vorfälle und der Spielabbruch des Meisterschaftsspiels der Fußball-Kreisliga B3 zwischen dem SC Rhünda gegen den TSV 08 Holzhausen verhandelt wurden, war für viele Besucher klar, dass man sich glücklich schätzen konnte, am 13. September nicht als Zuschauer in Rhünda am Sportplatz gewesen zu sein. Hässliche Szenen müssen sich dort zugetragen haben, die das Sportgericht um deren Vorsitzenden Dirk Spengler vorgestern aufzudröseln hatte und an deren Ende drakonische Strafen für alle Beteiligten standen.

Schon eine Viertelstunde vor Beginn war der große Saal im Hotel Rosengarten in Ziegenhain gut gefüllt. Spengler machte von der ersten Sekunde an klar, was er von allen Beteiligten erwartete - nämlich diszipliniert ohne Wenn und Aber mitzuhelfen und aufzuklären, was sich am besagten Sonntagnachmittag in Rhünda abgespielt hat.

Eine wichtige Rolle, und das stellte Spengler unmissverständlich klar, spielt in vielen Kammerverhandlungen - auch gem. §50 der Rechts- und Verfahrensordnung - die objektive Schilderungen des spielleitenden Schiedsrichters. Sein Sonderbericht hat bei der Wahrheitsfindung die absolut vorrangige, weil glaubwürdigste Aussagekraft.

Der Sachstand

Aber zunächst erläuterte Kammervorsitzender Spengler den Sachstand.

Beim Spiel in Rhünda lief bereits die dritte Minute der Nachspielzeit der ersten Halbzeit, Spielstand war zu diesem Zeitpunkt 1:0 für die Gastgeber, als ein Spieler des TSV 08 Holzhausen einen Akteur des SC Rhünda foulte. Ein an sich völlig harmloses Foul, wie der Schiedsrichter in seiner Aussage angibt. Der Akteur des SC Rhünda sprang dann aber wildgeworden auf und drückte seinen Kopf gegen den des Holzhäusers Gegenspielers und deutete eine sogenannte Kopfnuss an. Es folgte unmittelbar die Rote Karte als Feldverweis auf Dauer für den Akteur des SC Rhünda.

Warum auch immer veranlasste das Geschehene nun zwei weitere Holzhäuser Spieler, ihrem Mitspieler "zur Hilfe" zu eilen und schon nahm das Unheil seinen Lauf, die Situation eskaliert.

Es bildet sich sofort eine große Spielertraube, eine so genannte RUDELBILDUNG, mit den zunächst üblichen Schubsereien, verbalen Auseinandersetzungen, dann folgten Faustschläge und auch Fußtritte. Hierbei taten sich besonders drei Aktive (ein Feldspieler des SCR, zwei vom TSV) hervor, aber im Laufe der Ausschreitungen beteiligten sich noch mehr Spieler beider Teams. "Ich hätte gut und gerne ein Dutzend Spieler von beiden Seiten zur Anklage bringen können", meinte Spengler kopfschüttelnd. Es folgten Rote Karte Nr. 2 und Nr.3 für die beiden Holzhäuser.

Nicht zu beruhigen war einer der beiden des Feldes verwiesenen Holzhäuser Spieler. "Ihr Huren, ich ficke euch, wir sehen uns nach dem Spiel wieder, ich bring euch um!“, hat der Spieler des TSV in Richtung Rhündaer Spieler und Betreuer, wie auch die Verhandlung zweifelsfrei ergab, gerufen. Der Übeltäter stritt dies in seiner Vernehmung vehement ab, aber der Schiedsrichter und die anwesenden, geladenen Vereinszeugen des SC Rhünda versicherten Spengler glaubhaft, dass der Beklagte dies so gerufen hat.

Aber dann wurde der Holzhäuser Spieler selbst Opfer, nämlich getroffen von drei Faustschlägen des Platzordnerobmanns des SC Rhünda. Dieser hielt sich zum Zeitpunkt der Rudelbildung in der Nähe des Geschehens auf. Zunächst war seine Absicht zu schlichten und dazwischen zu gehen, als aber die "Angriffe" der Gästespieler überhandnahmen, verlor er die Nerven und schlug einen Holzhäuser Spieler mehrfach mit der Faust gegen den Kopf. Dessen Kopf schwoll darauf hin an und der Spieler begab sich am nächsten Tag in ärztliche Behandlung. Es folgte die Rote Karte Nr. 4 – für den Vereinsfunktionär und Platzordnerobmann des SC Rhünda.

Dieser zeigte sich dann aber in der Kammerverhandlung einsichtig und reuig, gab offen und ehrlich zu, einen schwerwiegenden Fehler gemacht zu haben und betonte, dass ihm die Sache absolut Leid tut und er sich für sein krasses Fehlverhalten entschuldigt. Das KSG glaubte ihm. Der Vereinsvorsitzende des TSV Holzhausen gab daraufhin an, dass der geschlagene Spieler auf eine Privatklage / Strafanzeige gegen den Platzordnerobmann verzichtet.

Nachdem die des Feldes verwiesenen das Spielfeld verlassen hatten und sich die Eskalation unter Mitwirken von vielen Beteiligten und Vereinsverantwortlichen beider Seiten einigermaßen beruhigte, pfiff der Schiedsrichter zur Halbzeitpause.

Gegen Ende der Halbzeit erklärte der 1. Vorsitzende des TSV 08 Holzhausen gegenüber dem Schiedsrichter, dass sich seine Mannschaft außer Stande sehe, die Partie zur 2. Halbzeit fortzusetzen. "Unsere Spieler hatten richtiggehend Angst weiterzuspielen", meinte der Verantwortliche. "Einige haben gezittert, einer sogar geweint. Sie haben um ihre Gesundheit gefürchtet. Wir hatten kein Vertrauen mehr, dass der Schiedsrichter das Spiel ordnungsgemäß zu Ende bringen kann", ergänzte er. Seine Spieler zogen sich um, der Vorsitzende erklärte eigenmächtig den Spielabbruch.

Das Spiel wurde somit vom Schiedsrichter nicht wieder angepfiffen und alle Beteiligten begaben sich später folgenlos auf den Nachhauseweg.

Spengler hakte nochmals nach und befragte den Schiedsrichter, ob man das Spiel gefahrlos hätte fortsetzen können. "Absolut. Die Lage hatte sich wieder beruhigt und ich sah keine Gefahr für die Spieler, die Zuschauer und schon gar nicht für mich persönlich, das Spiel nicht fortsetzen zu können.“ Für Spengler DIE ganz entscheidende Aussage.

Nach dem Spiel herrschte dann Ruhe, es kam zu keinen weiteren verbalen oder körperlichen Ausschreitungen.

Spengler stellte positiv fest, dass bei allem Übel wenigstens der Schiedsrichter nicht in die Attacken geriet, weder verbal noch körperlich angegriffen wurde.

Vernehmung der Zeugen und aller Beschuldigten

Der erste Teil der Verhandlung war vorüber, es folgte nun die Vernehmung der Zeugen und aller Beschuldigten.

Den Anfang machte der Schiedsrichter. Dieser bekam von Spengler zunächst Lob für einen sehr guten Sonderbericht. "Da hat sich jemand Mühe gegeben. Das habe ich auch schon anders gesehen." Der Referee konnte beinahe alle Fragen schlüssig und vor allem absolut glaubwürdig beantworten. Auch sein Verhalten auf dem Spielfeld sei beherrscht und auch angemessen gewesen, der Schiri entzog sich geschickt dem unmittelbaren Tatort und beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung und konnte so fast alles sauber erfassen und in seinem Sonderbericht klar wiedergeben.

Eine deutlich kritische Belehrung mit dem Hinweis auf §72 der Spielordnung zur Kontrolle des Platzbaus musste sich der gute Schiedsrichter jedoch anhören: die vor Spielbeginn zu überprüfende Gestellung von erkennbaren und gekennzeichneten Platzordnern mit dem sich vom Platzordnerobmann versichern zu lassen und persönlich in Augenschein zu nehmen, hat er auch unter den schwierigen Verhältnissen der Auswirkungen aufgrund der CORONA-Verhältnisse auf und um das Sportgelände schlichtweg vergessen, was er auch ohne Ausreden ehrlich zugab. "Das ist aber zwingend ihre Pflicht. Sie müssen sich vor dem Spiel vergewissern, ob Platzordner eingeteilt und für sie gekennzeichnet wahrnehmbar sind. Das war ein folgenschwerer Fehler von Ihnen." Der Schiedsrichter zeigte sich einsichtig in sein Fehlverhalten.

Auch der Vorsitzende vom SC Rhünda räumte ein, dass keine Ordner offen erkennbar eingeteilt waren. Zwar seien die Personen dafür auf dem Platz gewesen, aber sie hätten keine Binde oder Leibchen getragen und seien so weder für Spieler noch den Schiedsrichter kenntlich gewesen. Seine Ausrede : „Das ist aber doch überall in diesen Klassen so üblich“, erntete nur Unverständnis bei der Kammerbesetzung und auch den anwesenden Interessierte im Saal. Unter ihnen der frisch gewählte Kreisfußballwart Gerhard Kubitschko und der Neue im Amt des Kreisschiedsrichterobmanns Dieter Matheiowetz.

Es folgte die Befragung von den drei des Feldes verwiesenen Spielern. Alle gaben zu, an der Rudelbildung beteiligt gewesen zu sein, aber hätten die Tätlichkeiten in der beklagten Form jedoch nicht begangen.

Einer erklärte, den Kopfstoß nur angedeutet zu haben. Der nächste gab an, niemand mit den Fäusten geschlagen zu haben und auch die schlimmen Worte mit anschließender Morddrohung seien nicht von ihm gefallen. Vielmehr sei er geschlagen worden. Und der Dritte gab Ähnliches zu Protokoll. Eine detaillierte Befragung war wegen der Sprachbarrieren teilweise nicht einfach.

Die Mannschaftskapitäne beider Vereine kamen auch noch zu Wort, aber hieraus ergab sich nichts wesentlich Neues.

Schlusswort der Vereine

Nach Beendigung der Befragung der Zeugen und Beschuldigten hatten beide Vereine die Möglichkeit für ein Schlusswort.

Der Vorsitzende des SC Rhünda gab unter anderem an, dass man zwar keine Platzordner eingeteilt habe, was nicht richtig gewesen wäre, aber das Geschehen sich ja ausschließlich auf dem Platz abgespielt habe. Er hoffe daher auf ein mildes Urteil. Auch gab er zu berücksichtigen, dass sich sein Spieler und besonders der Platzordnerobmann einsichtig gezeigt haben und bat um eine nur geringe Minimalstrafe.

Der Vorsitzende des TSV 08 Holzhausen betonte trotzig, dass er nach wie vor von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt sei, das Spiel in Rhünda nicht fortgesetzt zu haben. "Was sollten wir denn machen? Unsere Spieler hatten Angst." Er war von seinem ordnungswidrigen und unrechtmäßigen Fehlverhalten nicht einsichtig, er zeigte keine Reue oder Entschuldigung um das Geschehene, obwohl es gerade massiv seine eigenen Spieler waren, die geschlagen und auch eine Morddrohung ausgestoßen haben.


Nun zog sich das Sportgericht zur Beratung und Urteilsfindung für gut 30 Minuten zurück.


Es folgte das Bekanntgeben des Urteils-Tenors, Spengler stellte die Bestrafungen umfassend mit dem entsprechenden §§ und im Wortlaut dar..

Hier das Urteil:

- der schlagende Spieler des SC Rhünda wird für 9 Meisterschaftsspiele gesperrt.

- der 1. schlagende Spieler des TSV 08 Holzhausen wird für 10 Meisterschaftsspiele gesperrt.

- der 2. schlagende, bedrohende, beleidigende Spieler des TSV 08 Holzhausen wird für 22 Meisterschaftsspiele gesperrt.

- der Platzordnerobmann des SC Rhünda wird mit einer sechsmonatigen Platzsperre belegt und zusätzlich zu einer Geldstrafe von 300 Euro verklagt.

- dem Verein SC Rhünda werden am Ende der laufenden Saison in der Kreisliga B3 drei Punkte abgezogen. Ferner muss der Verein 100 Euro Geldstrafe zahlen und das ausgetragene Spiel wird mit 0:3 als verloren gewertet.

- dem Verein TSV 08 Holzhausen werden am Ende der laufenden Saison in der Kreisliga B3 sechs Punkte abgezogen. Ferner muss der Verein 200 Euro Geldstrafe zahlen und das ausgetragene Spiel wird ebenfalls mit 0:3 als verloren gewertet.

Die Verfahrenskosten tragen beide Vereine je zur Hälfte.

Für das Rückspiel ordnete Spengler eine Verbandsaufsicht an. Auch hier müssen sich beide Vereine die Kosten der Ausführung der Auflage teilen.

Beide Vereine erklärten im Anschluss, dass sie den möglichen Rechtsmittelverzicht nicht erklären und wollen die Zustellung des Kammerurteils abwarten, um die Begründungen zur Urteilsfindung zu überprüfen, um ggf. ein Berufungsverfahren vor dem Verbandsgericht des Hessischen Fußballverbands durch Einlegung von Rechtsmitteln anzustreben.


Um 21.54 Uhr schloss der Kammervorsitzende Spengler die Verhandlung und wünschte allen eine sichere Heimfahrt!