Melsungen - „Der Rückblick auf die Saison 2021 und die drei erfolgreichsten MT-Leichtathleten macht Mut und Hoffnung für das Jahr 2022“, sagte der Abteilungsleiter der MT Melsungen Hans-Jörg Engler voller Stolz. Das leistungsstarke U18-Trio Vivian Groppe (Sprint), Luis André (Kugelstoß und Diskuswurf) sowie Maybritt Böttcher (Langstrecke) gehört zu den besten Zehn in Deutschland. Nach Weitspringerin Tanja Borrmann (1987) haben mit Vivian und Luis zwei MT-Nachwuchsathleten im kommenden Jahr wieder die Chance, sich für eine internationale Meisterschaften zu qualifizieren und bei den nationalen Jugendmeisterschaften ein Wort im Kampf um die Medaillen mitzureden.

Als erste Leichtathletin der Melsunger Turngemeinde holte sich Vivian Groppe den Titel bei der deutschen Jugendmeisterschaft und feierte damit ihren bisher größten Erfolg. Drei Wochen vorher brannte die 16-Jährige beim Meeting in Wetzlar ein Feuerwerk auf die Bahn, als sie die 100 Meter in 11,79 Sekunden zurücklegte. Es war der 10. Juli, als sie eine neue Seite in der Sprint-Chronik für den Schwalm-Eder-Kreis aufschlug und mit dieser „Traumzeit“ Sportgeschichte schrieb. Vivian pulverisierte in diesem Rennen die Jugend-Kreisrekorde und unterbot selbst die Frauenbestleistung, die seit 21 Jahren bei 11,92 Sekunden stand. Eine Stunde später folgte ihr nächster Paukenschlag: Im 200m-Finale blieb die elektronische Uhr für das Sprinttalent bei 24,16 Sekunden stehen. Mit dieser Zeit lief sich die Geschwister-Scholl-Schülerin in die TOP-TEN der U18-Europabestenliste 2021.

Aber diese Leistung wurde von ihr noch bei den deutschen Meisterschaften überboten, so dass ihre Goldmedaille und der Titel „Deutsche U18-Meisterin 2021“ alles überstrahlte. „Ich denke gern an dieses Finale von Rostock zurück“, sagte Vivian lächelnd. Und vielen wird ihr 200m-Sturmlauf am zweiten Meisterschaftstag in Erinnerung bleiben. Es war ein packendes Duell zwischen der großen Favoritin Holly Okuku (Baunatal) und der Außenseiterin aus dem Malsfelder Ortsteil Beiseförth, die Schulter an Schulter auf die nasse Zielgerade einbogen. Während Vivian noch zulegen konnte und mit ihrem großen Stehvermögen über die Bahn fegte - sie lief die letzten 100 Meter in 11,83 Sekunden - besaß Holly Okuku keine Reserven mehr. Sie wurde nur noch mit 12,07 Sekunden notiert. Im Ziel riss Vivian die Arme nach oben, als sie auf der Anzeigetafel ihre Zeit von 24,12 aufleuchten sah. Ihr war nun bewusst: Ich habe das Unmögliche möglich gemacht!

Nach Silber in Bremen (2019) und Bronze in Heilbronn (2020) war ihr erster Medaillensatz von den deutschen Meisterschaften komplett. Einen Tag später stand die neue deutsche 200m-Meisterin auch im 100m-Finale. Ein kleiner Flüchtigkeitsfehler nach der Hälfte der Strecke kostete ihr den zweiten nationalen Titel. Dennoch reichte es in dem engen Finish, in dem die drei Ersten innerhalb von nur 0,06 Sekunden über die Ziellinie stürmten, nach 11,87 Sekunden für die Bronzemedaille.

Eine Woche nach diesem Triumph wurde Vivian Groppe bei den süddeutschen Meisterschaften zur Sprintkönigin gekürt. Nicht unerwartet wurde sie im Oktober in den U20-Kader für die WM in Cali (Kolumbien, 02.-07.08.2022) berufen. „Für ihr Alter und das bisherige Training besitzt Vivian eine überragendes Leistungsvermögen. Sie ist ein absoluter Wettkampf-Typ. Bei wichtigen Wettkämpfen muss man immer mit ihr rechnen“, schwärmte Alwin Wagner, der seit drei Jahren das große Talent behutsam aufbaut.

Angesichts dieser Superleistungen läuft man Gefahr, die ebenfalls gute Entwicklung von Luis André und Maybritt Böttcher nur beiläufig zur Kenntnis zu nehmen. Aber auch diese Nachwuchsathleten erzielten großartige Leistungen, die bis auf Bundesebene ausstrahlten und besondere Beachtung verdienen.

Der mehrfache hessische Schüler-Rekordhalter im Kugelstoßen und Diskuswerfen, Luis André, besitzt ebenfalls großes Potential. Viele Jahre drückte er als Klassenkamerad von Vivian in der Melsunger Gesamtschule mit ihr die Schulbank. Nach dem Unterricht trainierten beide im Melsunger Waldstadion. Nach den Sommerferien wechselte Luis auf Anraten des Bundestrainiers in das Leistungssport-Internat nach Chemnitz. Luis wird auch im kommenden Jahr für die MT Melsungen starten und gilt als potenzieller Medaillenanwärterbei den deutschen U18-Meisterschaften sowohl im Kugelstoßen als auch Diskuswerfen und könnte sogar in Ulm für die nächste Goldmedaille eines MT-Athleten sorgen. Der 1,99 m große und 100 kg schwere Modellathlet wuchtete im Juni 2021 die 5kg-Kugel in Osterode auf 17,09 Meter und nimmt mit dieser Leistung im Jahrgang 2005 - wie im Diskuswerfen (52,71 m) - den zweiten Rang in der DLV-Bestenliste 2021 ein.

Drei Wochen vor den deutschen U18-Meisterschaften näherte er sich mit seinen Trainingsweiten der 18m-Marke und träumte von einer Medaille im Kugelstoßen. Als er Anfang Juli nach der ersten Impfung gegen Corona wenig belastbar war und auch müde und erschöpft wirkte, verlor er über 20 Prozent seines Leistungsvermögens. Als Sechster im Diskuswerfen (50,86 m) und Zehnter im Kugelstoßen (14,86 m) blieb der DLV-Kaderathlet weit hinter seinen Möglichkeiten. Für das kommende Jahr strebt Luis André, der am Wochenende in Melsungen trainiert, die Normerfüllung für die U18-EM an, die auf dem Givat Ram-Campus der Hebräischen Universität in Jerusalem vom 4. bis 7. Juli 2022 ausgetragen wird.

Ohne Zweifel gehört Maybritt Böttcher der Titel „Aufsteigerin der Saison 2021". Die 16-jährige, die nach den Sommerferien mit einem systematischen Training begann, ließ seit Oktober ihr Lauftalent immer öfter aufblitzen. Bei ihrem 5000m-Debüt unterbot sie mit 18:43 Minuten den U18-Kreisrekord aus dem Jahr 1984 um über 85 Sekunden. Eigentlich sollte sich Maybritt mit ihren längeren Läufen für die kommende Saison die nötige Ausdauer auf der Mittelstrecke holen. Da sie aber immer besser wurde, startete sie bei den deutschen Straßenlaufmeisterschaften Ende Oktober in Uelzen und überraschte bei ihrem ersten 10km-Lauf mit 41:10 Minuten und einem überragenden neunten Rang. Zwei Wochen später drückte sie bei den hessischen 10km-Meisterschaften in Darmstadt ihre Bestzeit um 102 Sekunden nach unten und eroberte mit 39:28 Minuten nicht nur die Spitze der hessischen Jahresbestenliste. Maybritt Böttcher wurde in ihrer noch jungen Laufbahn zum ersten Mal auch Landesmeisterin und hatte im Ziel einen komfortablen Vorsprung von über 30 Sekunden.


Text und Fotos: Alwin J. Wagner