Hessen - Die jüngsten Gewaltvorfälle gegen Schiedsrichter in Hessen waren ein Schwerpunkt der Sitzung des Verbandsvorstandes Ende November in Grünberg, die an Tagesordnungspunkten reich gesät war. HFV-Präsident Stefan Reuß und Verbandsschiedsrichterobmann Gerd Schugard nahmen zum Schiedsrichterthema ausführlich Stellung, erläuterten den Status Quo und stellten neu entwickelte Maßnahmen (siehe auch Interview mit Stefan Reuß auf dieser Seite) vor.

Zur Veranschaulichung der Haltung der Mitglieder des Hessischen Fußball-Verbandes wurde die Grünberger Erklärung verabschiedet, die sich deutlich für ein faires Miteinander und gegen Gewalt, Rassismus, Antisemitismus, Beleidigungen, Bedrohungen, und jede Form von Diskriminierung ausspricht.

Im weiteren Verlauf der Sitzung konnte Schatzmeister Ralf Viktora umfangreich über die wirtschaftliche Situation des Verbandes berichten und den Haushaltsplan für 2020 einstimmig verabschieden lassen.

In punkto Präsidiumsstruktur könnten sich ab dem kommenden Verbandstag im Juni 2020 geringfügige Änderungen ergeben: Es wurde eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die einen weiteren Vizepräsidenten für Fußball und Digitalisierung vorsieht, eine Schärfung der Aufgaben des zukünftigen Verbandsherrenspielausschusses sowie einen Verbandsanwalt und eine Sonderkammer des Sportgerichts der Verbandsligen. Damit sollen Verfahren weiter beschleunigt und die Kammern auf Regional- und Kreisebene unterstützt werden.

Alle amtierenden Präsidiumsmitglieder, mit Ausnahme von Verbandsfußballwart Jürgen Radeck, wollen sich beim Verbandstag 2020 erneut zur Wahl stellen.

Auch in punkto Spielklassenreform gab es eine Empfehlung des Verbandsvorstandes an den Verbandstag. Diese sieht vor, dass in der Legislaturperiode 2020-2024 grundlegend die Spielklassensystematik basierend auf Empfehlungen der Kommission Fußballentwicklung und Nachhaltigkeit verändert werden soll.

Klarer Tenor des Vorstandes: dort wo Handlungsbedarf ist, müssen wir anpassen, um einen attraktiven Spielbetrieb zu gewährleisten. Einige Optionen stehen im Raum, die nun durch intensive Rücksprache mit den Kreisen und Vereinen genauer beleuchtet werden müssen.

Nach den Beschlüssen am Verbandstag werden sich die Verantwortlichen diesen stellen und die entsprechenden Schritte vornehmen, um den hessischen Fußball zukunftsfähig zu gestalten. (mag)


Grünberger Erklärung des Verbandsvorstandes des Hessischen Fußball-Verbandes

Präsidium und Verbandsvorstand des Hessischen Fußball-Verbandes verurteilen die in den letzten Wochen verstärkt aufgetretenen Fälle von Gewalt auf unseren Sportplätzen, insbesondere gegen Schiedsrichter, auf das Schärfste. Den Betroffenen wünschen wir eine schnelle Genesung und sagen den Tätern unsere unnachsichtige Ahndung der Vorfälle an. Rassismus, Antisemitismus, Beleidigungen, Bedrohungen, Gewalt und jede Form von Diskriminierung haben in unserer Fußballgemeinschaft keinen Platz. Der Hessische Fußball-Verband e.V. setzt sich zu jeder Zeit für ein faires Miteinander auf und neben dem Sportplatz ein.

Fair Play bedeutet neben der korrekten Umsetzung der sportlichen Regeln vor allem auch Fairness, Chancengleichheit und Respekt im täglichen Miteinander. Dafür tragen Vorstand, Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer, Spielerinnen und Spieler, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, Verbandsmitarbeiterinnen und Verbandsmitarbeiter sowie Zuschauerinnen und Zuschauer und alle weiteren beteiligten Personen die Verantwortung. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, respektiert zu werden unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Alter, Behinderung, Geschlecht oder sexueller Identität.

Wer sich nicht an die Grundsätze von Fair Play und die Fußballregeln hält, hat keinen Platz in unserer großen Fußballfamilie.

Jeder, der sich dem Fußball verbunden fühlt, jeder, der unsere Schiedsrichter kritisiert, beleidigt oder bedroht, ist aufgefordert, sich der Schiedsrichterausbildung zu stellen und selbst Spiele zu leiten.

Der Fußball, die Vereine und Verbände können nicht der alleinige Reparaturbetrieb für Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft sein. Wir wollen und werden unseren Beitrag leisten, um das gesellschaftliche Miteinander zu fördern. Hierfür müssen die politischen Rahmenbedingungen neu justiert, die Demokratie gestärkt werden und die finanziellen Spielräume für das Ehrenamt erweitert werden, statt durch immer neue bürokratische Auflagen zu demotivieren.

Der Hessische Fußball-Verband bietet mit seiner Sozialstiftung derzeit folgende Maßnahmen und Aktivitäten an:

→ Fair Play Forum

→ FIDT – Fußball, Integration, Demokratie und Teilhabe

→ Intervention

→ Prävention

→ Kindeswohl

→ Straßenfußball für Toleranz

→ Sonstige Aktionen & Events


Wir werden verstärken und neu aufnehmen:

- weitere Informationsveranstaltungen in allen Fußballkreisen

- Ausbildung der Sicherheitsbeauftragte in den Vereinen

- HFV-Trainer-/Betreuerpass

- Ausbildung zum HFV-Fair-Play-Beobachter

- Weitere Maßnahmen: Fußballkonfliktmanager, Spielführerschulungen, Überarbeiten der Lizenzausbildung, Schulung Social Media

Kompetenz, Evaluieren & Erkenntnisse erlangen


Wer kann mitmachen?

Alle, die sich für Fair Play auf den hessischen Fußballplätzen einsetzen wollen.

Wer sich öffentlich zu Respekt und Fair Play bekennen will, bekommt mit dem Fair Play Hessen Netzwerk die Möglichkeit dazu und kann als Fair Play Partner dabei sein.


Interview mit HFV-Präsident Stefan Reuß:

„Wir appellieren an unsere Mitglieder, die Verbandsangebote wahrzunehmen“

HFV-Präsident Stefan Reuß nimmt in der aktuellen Kurz-Interview-Reihe zu aktuellen Themen des hessischen Fußballs Stellung. In der HFV-Präsident Stefan Reuß. (Foto: HFV)heutigen Ausgabe geht es um die Gewaltvorfälle gegen Schiedsrichter, über die aus der ganzen Republik berichtet wird und die auch vor Hessen nicht Halt machen.


Hallo Herr Reuß, man hat den Eindruck, dass Gewaltvorfälle gegen Schiedsrichter in letzter Zeit massiv zunehmen, stimmt das?

Das stimmt teilweise, denn die reine Zahl der Fälle hat nicht zugenommen. Wir haben aber auch den Eindruck, dass die Ausprägung zugenommen hat und die Fälle drastischer werden. Durch die moderne Medienwelt werden diese Meldungen auch viel zahlreicher publiziert. Das soll das Problem aber keinesfalls verharmlosen, denn jeder Fall von Gewalt auf dem Sportplatz oder in dessen Umfeld ist einer zu viel.


Bei besonders drastischen Fällen kommen Rufe nach lebenslangen Sperren auf. Der Täter vom FSV Münster wurde nun vom HFV für drei Jahre gesperrt.

Das ist die zurzeit laut unserer Strafordnung höchstmögliche Sperre. Wir werden jeden einzelnen Fall von Gewalt auf dem Sportplatz sportgerichtlich genau untersuchen und dementsprechende Strafen aussprechen. Wir planen außerdem, das Strafmaß für die Zukunft zu erhöhen. Ein Blick in das Strafgesetzbuch reicht aus, um zu ersehen, dass eine lebenslange Sperre rechtlich nicht umsetzbar ist.


Was tut der HFV, um diese Gewaltvorfälle von unseren Sportplätzen fernzuhalten?

Wir bieten schon eine ganze Reihe präventiver Maßnahmen für Spieler, Trainer und Vereine über unser Netzwerk Fair Play Hessen an, aber diese Angebote müssen auch wahrgenommen, genutzt und verinnerlicht werden, um eine Wirkung zu erzielen. Daher appellieren wir an unsere Mitglieder, diese Offerten auch anzunehmen.


Ist das ausreichend, um weitere Fälle zu verhindern?

Gänzlich verhindern kann man diese Fälle leider nie, aber wir hoffen, dass wir durch weitere Maßnahmen einige Fälle verhindern können. Der HFV hat dafür neue Konzepte entwickelt: Wir möchten einen Trainer- und Betreuer-Pass für alle Ligen ins Leben rufen, so dass der Schiedsrichter stets einen deutlich erkennbaren Ansprechpartner an der Seitenlinie vorfindet, der zuvor eine Fairplay-Schulung absolviert hat. Wir möchten außerdem Sicherheitsbeauftragte in den Vereinen sowie neutrale Fair-Play-Beobachter ausbilden und installieren. Darüber hinaus wollen wir Schulungen für Spielführer und zur Social-Media-Kompetenz anbieten, die Lizenzausbildung überarbeiten und Fußballkonfliktmanager einsetzen.


Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reuß!


Quelle: HFV