Kassel - Das Aussetzen des Spielbetriebes hat nicht nur Auswirkungen auf den sportlichen Bereich eines Vereins, er kann auch existenzbedrohend werden, denn sollte die Saison beispielsweise komplett abgesagt werden, drohen immense finanzielle Verluste. Die Einnahmen brechen fast ganz weg, aber die Kosten bleiben da. Spielergehälter sind da nur eins, auch die sportlichen Anlagen inklusive Vereinsheime müssen weiter unterhalten werden. Wir wollen in den nächsten Wochen bei den Klubs nachfragen, welche Folgen Corona für sie haben kann.

Heute gibt der 1. Vorsitzende des KSV Hessen Kassel Jens Rose Auskunft.


Hallo Herr Rose, das Corona-Virus bestimmt ja zurzeit unseren Tagesablauf. Wie gehen Sie mit der Situation um?

Rose: „Wir haben in der vergangenen Woche, als der Hessische Fußballverband (HFV) den Spielbetrieb zunächst bis Karfreitag eingestellt hat, aus Verantwortung unseren Spielerinnen und Spielern gegenüber direkt den kompletten Trainingsbetrieb eingestellt. Am Sonntag folgte dann auch die Verfügung der Stadt Kassel, dass alle Sportanlagen gesperrt und der Trainingsbetrieb bis zum 30.04.2020 einzustellen ist. Unser Trainer Tobias Damm hat allen Spielern für die kommenden vier Wochen individuelle Trainingspläne gegeben, damit die Jungs sich fit halten können. Wir hoffen natürlich, dass sich durch die restriktiven Maßnahmen der Stadt, des Landes und der Bundesregierung die weitere Verbreitung des Virus rasch eindämmen lässt. Aber im Moment lässt sich hier keine seriöse Prognose abgeben.“


In der Bundesliga geht die Angst vor möglichen Insolvenzen um. Wie sieht die Lage bei den Hessenligavereinen aus?

Rose: „Das wird vor allem ein Thema der vielen Amateurvereine sein. Nicht nur in der Bundesliga geht die Angst um. In der 3. Liga, in der Regionalliga, in den Oberligen sieht es doch nicht besser aus. Vor allem die Amateure leiden doch seit eh und je unter geringen Einnahmen.

Normalerweise fällt der Blick nur auf die Bundesligisten, dort gibt es Millionen an TV-Geldern und weiteren Erlösen, die in den Ligen unterhalb nicht vorstellbar sind. In der Bundesliga geht es auch um viele Arbeitsplätze, die von der Krise betroffen sind, aber die generelle Einnahmensituation dort ist schon im Vergleich zu den unterklassigen Vereinen noch eine privilegiertere.

In der Bundesliga machen ausbleibende Zuschauereinnahmen nicht so einen hohen Anteil an den Vereinsfinanzen aus, wie das bei den Regionalliga- oder Oberliga-Vereinen der Fall ist. Ob in der Bundesliga oder in der Kreisliga: Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind überall die gleichen, nur die Nullen vor dem Komma sind in der Bundesliga größer.

Wir müssen davon ausgehen, dass einige Vereine taumeln und in wirtschaftliche Probleme geraten werden. Ausbleibende Zuschauereinnahmen sind das eine, aber auch die Sponsoren sind in der aktuellen Situation deutlich zurückhaltender. Ist auch klar, sie müssen erstmal mit den Folgen, die auf unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft zukommen, umgehen und ihre Betriebe am Laufen halten. Da sehe ich auch den Staat und die Verbände in der Pflicht, hier die kleinen Vereine nicht aus den Augen zu verlieren.“


Können Sie Hilfe vom Staat oder HFV/DFB erwarten?

Rose: „In der Bundesliga wird über ein Solidarfond nachgedacht. Diesen Fond sollte es seitens des Verbandes vor allem für Amateurvereine geben. Hier wird die wichtige und wertvolle Arbeit an der Basis, die Grundlagen in der Jugend gelegt. Davon profitiert am Ende des Tages natürlich auch der Profifußball. Insofern wäre eine finanzielle Hilfe für Amateurvereine dringend notwendig. Aber persönlich glaube ich nicht daran, dass die kleinen Vereine überhaupt im Fokus möglicher Hilfsmaßnahmen stehen. So wünschenswert und wertvoll diese Hilfen auch wären, aber die wird es nicht geben. Da ist die Lobby der großen Klubs einfach stärker."


Wie sehen Sie die Lage? Wird diese Saison noch mal gespielt?

Rose: „Ich habe keine Glaskugel - das lässt sich überhaupt nicht seriös beantworten. Ich hoffe darauf, dass die weitere Ausbreitung des Coronavirus schnell gestoppt werden kann. Die Absage der Europameisterschaft verschafft den Verbänden schon einmal Luft, um den Ligabetrieb im Sommer fortzusetzen, wenn Ende April oder im Mai der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann – wenn es die Lage dann zulässt.

Wenn der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann, sollte er unabhängig von der Spielklasse komplett durchgeführt werden. Alles andere führt in der Solidargemeinschaft Fußball nur zu Frust und sportlicher Ungerechtigkeit bei allen Vereinen und Ehrenamtlichen, die sich für ihren Verein einsetzen.


Nach der Verlegung der EM besteht auch die Möglichkeit, den Saisonstart in allen Klassen um 2-3 Wochen zu verschieben und die Winterpause zu verkürzen.

Wenn die Saison nicht zu Ende gespielt werden sollte, setze ich auf eine mit den Vereinen abgestimmte Lösung seitens des HFV, wie mit der Saison und den Tabellenplätzen nun umzugehen ist. Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns kein weiterer Schaden entsteht und die weiteren Folgen so weit wie möglich abgemildert werden. Ein mögliches Szenario könnte die Variante sein, die der Hessische Handball-Verband gewählt hat oder die Regelung, die Erstplatzierten steigen auf, Absteiger bleiben in der jeweiligen Klasse mit einer Aufstockung der Liga.“