Kassel - Ausgerechnet gegen den ausgemachten „Angstgegegner“ TVB Stuttgart, gegen den die MT Melsungen letztmals im Dezember 2017 gewonnen hatte, schaffte die Mannschaft von Trainer Roberto Garcia Parrondo heute die Kehrtwende nach der Enttäuschung drei Tage zuvor gegen Minden. Nach starkem Beginn zwar mit einer Schwächephase gegen Ende der ersten Hälfte und noch einmal fünf weniger konzentrierten Minuten nach dem Seitenwechsel, aber doch letztlich souverän und vor allem hochverdient triumphierten die Nordhessen vor 2.769 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle mit 29:23 (13:15).

Wobei sich Silvio Heinevetter mit einer sensationell guten Leistung und fast 50 Prozent gehaltenen Bällen als Matchwinner fühlen und feiern lassen durfte. Als Torschützen glänzten Timo Kastening (8 Tore, davon vier Siebenmeter) und auf der anderen Seite Viggo Kristjansson mit sieben Treffern.

Auf zwei Positionen verändert gegenüber der Startformation der Minden-Partie starteten die Hausherren gegen ihren ausgemachten Angstgegner. Silvio Heinevetter bekam den Vorzug gegenüber Nebojsa Simic und linken Rückraum besetzte Julius Kühn den Platz von Andre Gomes. Die dritte Änderung betraf dann bereits die Einstellung zum Spiel, denn diesmal war die gesamte Mannschaft on der ersten Sekunde an hellwach. Angefangen bei Arnar Freyr Arnarsson, der sich den Ball aus Stuttgarts erstem Angriff angelte, fortgesetzt über den konzentrierten Abschluss von Timo Kastening zum 1:0. Heinevetter knüpfte an seine gute Form gegen GWD an und parierte gegen Adam Lönn und Viggo Kristjansson, so dass vorn Kai Häfner sofort das 2:0 draufsetzen konnte (2.).

Stuttgart wirkte regelrecht überfordert gegen eine aufmerksame und vor allem extrem bewegliche MT-Deckung, bei der vor allem über die Mitte, besetzt durch Arnarsson und Elvar Örn Jonsson, gar nichts ging. Was aus dem Rückraum oder über die Flügel kam, wurde Beute des in der Anfangsphase überragenden Heinevetter. An dem weder Patrick Zieker, noch Zharko Peshevski vorbei kamen. Bevor der TVB so richtig wach wurde, hatten Jonsson und abermals Kastening auf 4:0 erhöht (6.). Dann erst entwickelten die Gäste probate Strategien und kamen zu Erfolgen. Zumal auch ihr Schlussmann Tobias Thulin mit zwei Paraden glänzte. Elf Minuten waren gespielt, da hatten die Süddeutschen durch Adam Lönn den Anschluss zum 5:4 gefunden.

Selbstverständlich war das Melsunger Spiel nicht über Nacht fehlerlos geworden. Diesmal aber gab es nach Ballverlusten weder hängende Köpfe, noch Passivität. Im Gegenteil war jeder bemüht, seinen Lapsus umgehend wieder auszubügeln. Wie Julius Kühn, der einen technischen Fehler direkt im nächsten Angriff fulminant aus zehn Metern mit dem 8:5 vergessen machte (15.). Auch das Teamgefühl stimmte sichtbar. Bei jeder Glanztat von Silvio Heinevetter, und davon gab es weiterhin reichlich zu bestaunen, war Nebojsa Simic auf der Bank der erste, der mit geballter Faust jubelnd aufsprang. Besonders hoch nach Heinevetters spektakulärer Rettung gegen Peshevski, die Kai Häfner im Vorwärtsgang mit dem 9:6 veredelte (18.).

Neue Kraft und viel Motivation tankten die Stuttgarter in einer Auszeit. Wirkten danach fokussierter und wesentlich zielstrebiger. Weil sich gleichzeitig bei der MT wieder einige technische Fehler einschlichen, kippte die Begegnung. Viermal in Folge, darunter dreimal durch Viggo Kriatjansson, trafen die Gäste, führten plötzlich sogar und waren voll auf Augenhöhe. Die Tore von Andre Gomes und Domagoj Pavlovic nach klasse Zuspiel von Timo Kastening sowie dessen dritter erfolgreicher Siebenmeter und Kai Häfners 13:13 (27.) waren jeweils nur zum Ausgleich. Ehe der Rest der ersten Hälfte den Stuttgartern gehörte, die sich durch Egon Hanusz sogar eine Zwei-Tore-Führung zum Pausenpfiff holten.

Auch der Auftakt zum zweiten Durchgang verlief nicht nach MT-Plan. Der erste Wurf von Kai Häfner ging am Tor vorbei. Doch weil Heinevetter gegen Kristjansson zunächst klärte, konnte Julius Kühn im zweiten Anlauf verkürzen. Ehe der Isländer dann doch traf: 14:16 (33.). Aber „Heine“ war heiß. Nach Kühns zweitem Streich war er wieder dran und bereitete das Feld für Elvar Örn Jonssons Ausgleich. Dem kurz darauf die nächste Parade des MT-Zerberus folgte und gleich darauf der fünfte Kühn-Kracher des Tages. Melsungen führte plötzlich wieder und weil es so schön war, setzte Kühn glatt noch einen drauf: 18:16 und flugs Auszeit genommen von TVB-Coach Roi Sanchez (35.).

Die war nötig und kam genau zur rechten Zeit. Den Nordhessen war der Schwung genommen, die Schwaben bauten wieder welchen auf. Patrick Zieker und Adam Lönn per Tempogegenstoß glichen aus, erneut Zieker holte von der Siebenmeterlinie die Gästeführung zurück. Erst als Adam Lönn auf die Strafbank musste, war Rot-Weiß in Person von Elvar Örn Jonsson wieder dran: Gleichstand (41.). Zur neuerlichen Führung seiner Mannschaft gab es die Vorlage für seinen isländischen Landsmann Arnarsson und auch der Pass auf Michael Allendorf nach Ballgewinn in der Abwehr kam von Jonsson: 21:19 (44.). Über fehlende Spannung und Abwechslung durfte sich an diesem Nachmittag in der Rothenbach-Halle wahrlich niemand beklagen.

Die größte Konstante stand zwischen den Pfosten auf Melsunger Seite: Silvio Heinevetter bestach durch Aufmerksamkeit in jeder Situation. Seine fünfzehnte Parade gegen Adam Lönn war die Vorarbeit zum 22:19 durch Andre Gomes (46.), nach der Roi Sanchez seien Mannen zum zweiten Mal an die Seitenlinie rief. Der zweite Fels in der Brandung hieß Elvar Örn Jonsson, der im Abwehrzentrum dicht machte und für einige defensive Ballgewinne sorgte. Erst nach Timo Kastenings verwandelten Siebenmeter war nach langen neun Minuten mal wieder ein Blau-Weißer dran, als Dominik Weiß das 23:20 machte (49.). Der nächste Wurf des Stuttgarters war jedoch wieder Beute von Heinevetter, der das nicht gerade locker geworfene Leder sogar fangen konnte.

Die Gäste waren sichtbar angeschlagen, wenngleich ihre Gegenwehr nicht erlahmte. Melsungens Rückraum, in dem seit kurz nach der Halbzeit Kai Häfner angeschlagen fehlte, fand dennoch immer wieder Lösungen. Ob nun über Andre Gomes als Rechtshänder im rechten Rückraum bei dessen 25:21 oder Jonsson als Rückraum-Linken zum 26:22 (55.). Spätestens als Silvio Heinevetter den von Patrick Zieker geworfenen Siebenmeter hielt, die Halle lautstarke „Heine, Heine“-Sprechchöre anstimmte und Timo Kastening vorn das 27:22 erzielte, war die Partie durch, saß in der Halle niemand mehr auf seinem Platz. Und dass Heinevetter fast mit dem Schlusspfiff gegen Samuel Röthlisberger noch seine 22. Parade feiern durfte, setze dem aus Melsunger Sicht gelungenen Tag die Krone auf.


Stimmen zum Spiel:

Roberto Garcia Parrondo: Wir sind glücklich über diesen Sieg, denn Stuttgart war ein guter Gegner und ist auch ein gutes Team. Das drückt sich bei ihnen aber nicht in den geholten Punkten aus, sie sind stärker als es aussieht. Für uns war es ein schweres Spiel nach 50 katastrophalen Minuten vor drei Tagen gegen Minden. Heute haben wir den Start gut hinbekommen, aber dann wieder eine Phase mit acht technischen Fehlern vor der Pause gehabt. So etwas müssen wir abstellen! Die zweite Halbzeit war dann sehr gut. Glückwunsch an meine Spieler nicht nur für den Sieg, sondern auch für ihre gute kämpferische und Spielerische Leistung. Stuttgart wünschen wir viel Erfolg in ihren nächsten Aufgaben.

Roi Sanchez: Glückwunsch an die MT und an Roberto. Wir haben nicht gut angefangen. Dabei hatten wir gerade über den Start gesprochen, hatten dann aber in den ersten Angriffen gleich zwei Fehler und zweimal hat Heinevetter gehalten. Dann konnten wir das Spiel drehen und haben die zweite Hälfte auch gut angefangen bis zum 18:19. Aber in den letzten 20 Minuten war es dann zu wenig, bei uns im Angriff. Wir haben es zwar noch mit 7 gegen 6 versucht, aber Melsungen hat unsere Passwege gut verteidigt und gegen den starken Heinevetter konnten wir kaum Tore machen. Minus sechs sind zu hoch, aber der Sieg von Melsungen war in Ordnung.


Statistik:

MT Melsungen: Heinevetter (22 Paraden / 23 Gegentore), Simic (n. e.); Maric, Kühn 6, Kunkel, Jonsson 5, Arnarsson 1, Allendorf 1 , Gomes 4, Kalarash, Häfner 3, Petersson, Fuchs, Kastening 8/4, Pavlovic 1, Kuntscher - Trainer Roberto Garcia Parrondo.

TVB Stuttgart: Thulin (10 P. / 28 G.), Scheiner (bei einem Siebenmeter, 0 P. / 1 G.); Runarsson, Weiß 1, Hanusz 3, Lönn 3, Schulze, Röthlisberger 2, Augustinussen, Zieker 3/2, Pfattheicher 1, Meschke, Peshevski 3, Kristjansson 7 - Trainer Roi Sanchez.

Schiedsrichter: Robert Schulze (Magdeburg) / Tobias Tönnies (Magdeburg)

Zeitstrafen: 8 – 8 (Kühn 8:17 18:21, Gomes 25:39, Petersson 57:01 - Augustinussen 7:05, Röthlisberger 19:38, Weiß 27:17, Lönn 40:45)

Strafwürfe: 4/4 – 3/2 (Zieker scheitert an Heinevetter 55:38)

Zuschauer: 2.769 in der Rothenbach-Halle, Kassel.


Die nächsten Spiele:

So., 21.11.21, 16:00 Uhr, SC DHfK Leipzig – MT Melsungen, Quarterback Arena Leipzig

Do., 25.11.21, 19:05 Uhr, MT Melsungen – Rhein-Neckar Löwen, Rothenbach-H. Kassel