Lingen - Das war eine klare Angelegenheit am Mittwochabend in Lingen. In der Emsland Arena landete die MT Melsungen in ihrem 17. Saisonspiel in der Handball-Bundesliga einen ungefährdeten und hochverdienten 29:21 (14:9)-Sieg gegen die HSG Nordhorn-Lingen. Auffälligste Akteure, weil jeweils beste Schützen ihrer Mannschaft, waren Julius Kühn (8) für die Gäste und Philipp Vorlicek (7) für die Hausherren. Bereits am Samstag empfangen die Nordhessen die SG Flensburg-Handewitt (20:30 Uhr, Rothenbach-Halle Kassel).

Zugegeben, etwas Ungewissheit herrschte auf Seiten der MT Melsungen vor dem Trip ins Emsland schon. Wie würde die Mannschaft, von der die meisten ihrer Leistungsträger ein anstrengendes Länderspielwochenende hinter sich haben, nach nur kurzer Vorbereitung gegen Nordhorn auftreten? Die Antwort darauf gaben die Nordhessen mit dem Anpfiff. Mit einem Bilderbuchstart ließen sie erkennen, dass sie gegen den vermeintlichen Außenseiter an diesem Abend nichts anbrennen lassen wollten. Kai Häfner, zweimal Timo Kastening (davon einmal per Strafwurf) und Julius Kühn hatten nach nur gut fünf Minuten mit einer 4:0-Führung die Marschroute vorgegeben. Erst nach 6:14 gespielten Minuten platzte dank Robert Weber der Knoten bei den Grafschaftern.

Leider schied Kai Häfner mit Verdacht auf Adduktorenzerrung früh aus, sodass fortan Stefan Salger auf der halbrechten Rückraumposition gefordert war. Die MT war ja schon “ohne Drei” angereist – mit Michael Allendorf, Arnar Arnarsson und Tobias Reichmann fehlte gleich eine komplette Nahwurfzonenbesetzung. Nur gut, dass sich die MT von derlei Begleitumständen nicht aus dem Konzept bringen ließ. Im Gegenteil: Mit einer sehr engagierten Abwehr, deren Mittelblock diesmal von Finn Lemke und Felix Danner gebildet wurde, holten sich Kühn & Co die Selbstsicherheit für den Angriff.

Dort klappte es wie am Schnürchen – bis HSG-Trainer Daniel Kubes nach knapp 14 Minuten beim Stand von 2:7 den MT-Express per Timeout stoppte. Allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Seinen Schützlingen gelang es, sich bestenfalls auf vier, fünf Tore heranzuarbeiten. Ansonsten aber bestimmten die Nordhessen über die Zwischenstände 3:9 (16. Min.) und 5:10 (20.) weiterhin das Geschehen.

Domagoj Pavlovic führte klug Regie und zeigte sich selbst immer wieder torgefährlich. Wie etwa nach einem feinen “1 gegen 1” auf der ungewohnten Halbrechten, das er mit dem Treffer zum 6:11 abschloss. Den folgenden Nordhorner Angriff stoppe Julius Kühn etwas unsanft und bekam eine Zeitstrafe aufgebrummt. Zudem gab es einen Strafwurf. Bei dem sich aber Silvio Heinevetter nervenstärker als der ansonsten als Siebenmeterspezialist bekannte Robert Weber zeigte. Es war bereits die fünfte Parade des MT-Keepers.

Wenig später, Julius Kühn hatte gerade mit seinem fünften Tor das 7:13 erzielt (25.), humpelte Finn Lemke vom Feld. Der Kapitän hatte sich bei einer Abwehraktion offenbar den Fuß verdreht. Seinen Platz in der Hintermannschaft neben Felix Danner nahm Marino Maric ein. Dann setzte eine rund dreiminütige Torflaute ein, zwischendrin kassierte Julius Kühn seine zweite Zeitstrafe. Die MT machte die Dezimierung durch Herausnahme des Torhüters bei gleichzeitiger Hereinnahme von Lasse Mikkelsen wett.

Gudmundur Gudmundsson beruhigte sein Team per Timeout. Im anschließenden Angriff passierte den Gästen einer der ganz wenigen technischen Fehler, den prompt HSG-Torwart Björn Buhrmester mit einem langen Ball ins verwaiste MT-Gehäuse zum 8:13 nutzte (28.). Jeweils ein weiterer Torerfolg auf beiden Seiten führte zum 9:14-Halbzeitstand.

Wacher aus der Kabine kamen nach der Pause die Gastgeber. Toon Leenders per Siebenmeter und Luca de Boer verkürzten auf 11:14. Zwischendrin hatte Stefan Salger eine gute Gelegenheit, bei der er jedoch freistehend an Buhrmester scheiterte.

Im weiteren Verlauf ließen die MT-Cracks die Nordhorner nie mit mehr als drei Toren herankommen, waren jederzeit Herr der Lage. Das Spiel war somit zwar nicht spannend, aber sehr gefällig anzuschauen. Wozu auch die hin und wieder auf beiden Seiten eingestreuten Schmankerl beitrugen. Wie etwa der von Nordhorns Routinier Robert Weber erfolgreich abgeschlossene Kempa-Trick zum 13:16 (35.) oder kurz darauf der perfekte Steal von Timo Kastening, den der MT-Rechtsaußen selbst zum 13:17 (37.) vollendete.

Den Grafschaftern war anzumerken, dass sie trotz des ständigen Hinterherlaufens nicht gewillt waren, frühzeitig die weiße Fahne zu hissen. Zum Beispiel versuchten sie es dann mit einer etwas offensiveren Abwehrformation, mit dem Ziel, vor allem die Kreise von Regisseur Domagoj Pavlovic und Shooter Julius Kühn einzuengen. Der Plan indes ging nicht auf. Die sich dadurch ergebenden freien Räume waren ein gefundenes Fressen für den fintenreichen “Domba” oder Marino Maric. Der Kreisläufer etwa bedankte sich für zwei mustergültige Zuspiele von Stefan Salger und Domagoj Pavlovic mit den Treffern zum 15:19 und 15:20 (41.).

Da ergriff Daniel Kubes wieder den Bremshebel und stellte seine Mannen per Timeout neu ein. Das schien zu fruchten. Markus Stegefelt und Pavel Mickal erzwangen das 17:20. Auch, weil zwischendurch die MT ihre fünfte (!) Zeitstrafe hinnehmen musste – diesmal traf es Yves Kunkel. Für den Gudmundur Gudmundsson mit Youngster Ben Beekmann umgehend Ersatz auf die Platte schickte. Und prompt ergab sich für den 18-jährigen aus der MT-Kaderschmiede eine aussichtsreiche Torchance. Als hätte der Linksaußen nur darauf gewartet, ergriff er die Gelegenheit beim Schopfe und erzielte sein erstes Bundesligator (17:21, 44.). Wenige Minuten zuvor hatte der inzwischen für Silvio Heinevetter zwischen die Pfosten gekommene Nebojsa Simic schon für ein Zungenschnalzen gesorgt, als der Strafwurfschütze Toon Leenders entzauberte.

In der Schlussviertelstunde spulte die MT unaufgeregt ihr Programm ab, blieb konzertiert und hielt den Kontrahenten in sicherem Abstand. Zum Beispiel, indem Timo Kastening zwei Gegenstöße erfolgreich abschloss (18:25, 18:26, 54.) und damit die Weichen endgültig auf Sieg stellte. So durfte mit David Kuntscher (19) auf Rechtsaußen ein weiteres Nachwuchstalent Bundesligaluft schnuppern. Und sein Gegenüber, Ben Beekmann, sogar noch einen weiteren Torerfolg feiern. Den Schlusspunkt setzte Marino Maric mit seinem vierten Treffer zum hochverdienten 29:21-Auswärtssieg.


Stimme zum Spiel:

Gudmundur Gudmundsson: "Das war aufgrund der sehr kurzen Vorbereitungszeit und der Ausfälle von drei Spielern, zu denen heute mit Kai Häfner noch ein vierter hinzukam, gewiss kein einfaches Spiel für uns. Aber wir haben das sehr gut gelöst. Zum einen mit einer entsprechenden Abwehrleistung, einschließlich der Torhüter, zum anderen mit einer hohen Konzentration im Angriff. Entscheidend war hier auch, dass wir nicht nur sehr wenig Fehler gemacht haben, sondern auch eine sehr hohe Wurfausbeute. Zum Beispiel hatten Julius und Domba keinen einzigen Fehlwurf und auch Timo und Marino jeweils nur einen. Ich habe den Eindruck, dass wir jetzt so langsam in die Richtung gehen, wo wir hinwollen."


Statistik:

HSG: Ravensbergen (2 Paraden, 21/1 Gegentore), Buhrmester (1, 2 Paraden, 8 Gegentore) – Torbrügge, Leenders (2/2), Weber (3/1), Mickal (3), Miedema, Stegefelt (2), Terwolbeck (1), de Boer (1), Zare, Vorlicek (6), Visser, Possehl (1), Kalafut (1) – Trainer. Daniel Kubes.

MT: Heinevetter (6/1 Paraden, 15/2 Gegentore), Simic (4/1 Paraden, 6/1 Gegentore) – Maric (4), Kühn (7), Lemke, Kunkel, Mikkelsen (1), Danner, Pregler, Häfner (1), Salger (3), Kastening (5/1), Kuntscher, Pavlovic (6), Beekmann (2) – Trainer Gudmundur Gudmundsson.

Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic (Berlin)

Strafwürfe: 3/6 – 1/1 (Weber, 22. Min., scheitert an Heinevetter; Leenders, 50. Min., scheitert an Simic; Stegefelt, 52. Min., wirf über das Tor)

Zeitstrafen: 2 Min. – 12 Min. (Vorlicek, 46. Min. – Salger, 19.; Kühn, 21., 27.; Maric ,29.; Kunkel, 43.; Lemke, 57.)

Spielstätte: Emsland Arena, Lingen, keine Zuschauer


Das nächste Spiel:

Sa., 20.03.21, 20:30 Uhr: MT Melsungen – SG Flensburg-Handewitt, Rothenbach-Halle Kassel