Ismaning - Bastian Schweinsteiger, Ex-Profi von Bayern München und Weltmeister von 2014, hat sich im exklusiven SPORT1 Interview unter anderem zur deutschen Nationalmannschaft und offenen Personalfragen, WM-Gastgeber Katar sowie seinem Ex-Klub FC Bayern geäußert. Dabei stützt er FCB-Trainer Julian Nagelsmann und sagt: „Ich bin von seiner Qualität als Trainer überzeugt.“ Auszüge des Interviews im Folgenden, der gesamte Artikel ist auf SPORT1.de abrufbar:


SPORT1: Herr Schweinsteiger, die Winter-WM in Katar rückt näher und wird kontrovers diskutiert. Wie sehen Sie die Vergabe?

Bastian Schweinsteiger: „Für eine finale Aussage ist es jetzt noch zu früh. So eine WM gab es noch nie, darum können wir uns ein Urteil erst nach dem Turnier erlauben. Für uns findet die WM zum ersten Mal in den kälteren Monaten statt, ich glaube aber trotzdem, dass ganz viele Menschen die WM schauen werden. Für die Argentinier zum Beispiel ist es zum ersten Mal eine WM im Sommer, dort wird es etwas ganz Neues sein.“


SPORT1: Zuletzt hat bei SPORT1 Uli Hoeneß im Doppelpass angerufen…

Schweinsteiger: „Schon wieder?“


SPORT1: Ja, schon wieder. Er hat sich für den Gastgeber starkgemacht und gesagt, dass die WM die Bedingung für die Menschen vor Ort verbessern kann. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

Schweinsteiger: „Bei der Vergabe hätte man eventuell noch darüber sprechen können, ob man es gut findet oder nicht. Aber jetzt ist es zu spät und die WM wird in Katar ausgetragen. Ich bin kein Freund davon, zu sagen, dass alles schlecht ist. Man muss Katar auch mal eine Chance geben. Der Sportler und die Medien können auf Dinge aufmerksam machen, aber der Sportler konzentriert sich auf den Sport. Wenn ich Bundeskanzler Olaf Scholz gehört habe, dass sich die Bedingungen in Katar verbessert haben, dann vertraue ich auf seine Worte. Natürlich muss man aber Dinge, die nicht gut sind, auch scharf kritisieren. Das ist ganz wichtig. Ich persönlich freue mich auf die WM, auf ein Fußballfest mit einer sehr guten Nationalmannschaft.“


SPORT1: Wie stark sehen Sie den deutschen Kader im internationalen Vergleich?

Schweinsteiger: „Ich sehe da ein Fragezeichen. Wir haben eine gute Mannschaft mit extrem interessanten Spielern wie Jamal Musiala. Wir haben einen Weltklasse-Torhüter. Wir wissen aber noch nicht ganz genau, wo wir stehen. Ich habe das Spiel in Amsterdam gegen die Niederlande live im Stadion gesehen, als wir 60 Minuten hervorragend gespielt haben und dann durch Einwechslungen etwas den Rhythmus verloren haben. Aber die 60 Minuten machen mir Hoffnungen, dass wir gegen alle Nationen bei der Weltmeisterschaft bestehen können.“


SPORT1: Muss Musiala einen Stammplatz bekommen?

Schweinsteiger: „Für mich gehört er ganz klar immer in die erste Elf, weil er Fähigkeiten mitbringt, die wir so nicht haben in der Nationalmannschaft. Mich beeindruckt sehr, wie stark er auch gegen den Ball ist. Er gewinnt die Bälle in der Defensive und dribbelt dann nach vorne. Er kann drei, vier Spieler ausspielen mit einer Aktion, etwas Besonderes machen, Tore schießen und vorbereiten.“


SPORT1: Es gibt einige offene Personalfragen. Sollte Hansi Flick Mats Hummels in der aktuellen Form mitnehmen?

Schweinsteiger: „Das liegt auch an Mats selbst, wie er in den nächsten Wochen spielt. Er hat eine unglaubliche Erfahrung und eine sehr gute Spieleröffnung. Mittlerweile gibt es aber auch Innenverteidiger wie Schlotterbeck und Rüdiger, die unglaublich viel mitbringen. Das sind meine zwei Favoriten für die Innenverteidigung.“


SPORT1: Als Sturm-Alternative schießt sich Werders Niclas Füllkrug sich immer mehr in den Fokus. Wie sehen Sie ihn?

Schweinsteiger: „Er ist ein sehr, sehr interessanter Spieler. Die Art und Weise, wie er spielt, gefällt mir sehr gut, sehr frech. Er spielt sehr erfahren, weiß genau, was zu tun ist, schießt Tore und bereitet vor, ist schnell und hat einen athletischen Körper. Und er scheißt sich auch nicht ganz so viel (lacht). Gerade bei so einem Turnier brauchst du eine Abgezocktheit, eine Unbekümmertheit. Es würde der Nationalmannschaft helfen, einen solchen Spieler im Kader zu haben.“


SPORT1: Eine echte Neun wird zurzeit ja etwas vermisst. Kommt Hansi Flick überhaupt noch um ihn herum?

Schweinsteiger: „Einen wie Füllkrug als Überraschung mit zur WM zu nehmen, wäre ganz gut, weil du dann einen Spieler in den Reihen hast, der von der Bank kommt und ein anderes Element in die Mannschaft reinbringt. Ich sehe aktuell auch keinen anderen Spieler in der Bundesliga, der jetzt auf der Neun perfekt ist.“


SPORT1: Wie weit kommt Deutschland bei der WM?

Schweinsteiger: „Ich glaube nicht, dass wir Titelfavorit sind. Dafür haben anderen Mannschaften besseren Fußball gespielt. Aber wir sind eine Mannschaft, die jeden schlagen kann. Davon bin ich überzeugt. Da hat mich der Auftritt in den Niederlanden überzeugt. Ich hoffe, dass wir das Halbfinale erreichen.“


SPORT1: Der Bayern-Block schwächelte zuletzt auch im Nationalteam. Haben die Spieler ihre Liga-Probleme mit in die Nationalmannschaft getragen?

Schweinsteiger: „Natürlich ist das so, wenn es im Verein nicht gut läuft, dass es sich dann auf die Nationalmannschaft überträgt. Gerade wenn das Selbstvertrauen nicht das allergrößte ist, kann das durchaus vorkommen. Ein guter Bayern-Block wäre ganz wichtig für die Nationalmannschaft, um in Katar Erfolg zu haben.“


SPORT1: Wie lässt sich die Krise bei den Bayern, die bis zum Leverkusen-Spiel herrschte, erklären?

Schweinsteiger: „Es wurden einfach in der Offensive viele Chancen vergeben. Oft hatte der gegnerische Torwart einen super Tag, aber die Bayern haben eben auch gegen den Ball in vielen Situationen nicht gut gestanden. Gegen Leverkusen war das schon viel, viel besser. Ich mache mir keine Sorgen, Bayern München hat eine unfassbare Qualität. Wenn sie die abrufen, sind sie der ganz klare Favorit auf die Meisterschaft.“


SPORT1: Viele haben sich von Sadio Mané mehr erhofft. Ist er schon voll in die Mannschaft integriert?

Schweinsteiger: „Ja, ich glaube schon. Ich weiß nicht, wie viele Abseits-Tore er schon gemacht hat, aber Sadio Mané ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann. Man darf jetzt auch nicht schon nach ein paar Spielen ein Urteil über ihn fällen, manchmal braucht man auch ein bisschen Eingewöhnungszeit. Er hat die Qualität und ich bin sicher, dass er viele Tore und Assists für Bayern München machen wird.“


SPORT1: Wie sehr hat der Stuhl von Julian Nagelsmann bereits gewackelt? Wie wichtig war der Sieg gegen Leverkusen deswegen für ihn?

Schweinsteiger: „Es gibt solche Phasen und Julian Nagelsmann lernt auch dazu, mit solchen Situationen umzugehen. Ich bin von seiner Qualität als Trainer überzeugt und ich glaube, die Mannschaft ist auch überzeugt von ihm. Sein Stuhl hat nicht gewackelt.“


Quelle: SPORT1