Kassel - Die MT Melsungen hat ihr erstes Heimspiel in der Handball-Bundesliga nach der WM-Pause gestern gegen den SC DHfK Leipzig knapp mit 28:29 (15:18) verloren.

Erneut arg ersatzgeschwächt brauchten die Nordhessen zu lange, um sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren und fanden erst in der zweiten Halbzeit über eine Steigerung in der Defensive zumindest ansatzweise zu ihrem Spiel. In ihrer stärksten Phase Mitte der zweiten Hälfte drehte die MT einen Drei-Tore-Rückstand in eine Zwei-Tore-Führung, vermochte die aber gegen stark zurückkommende Leipziger nicht über die Zeit zu bringen. Am Ende war Timo Kastening mit sechs Toren, davon fünf per Siebenmeter, erfolgreichster Torschütze bei den Hausherren, während Luca Witzke für die Gäste siebenmal erfolgreich zeichnete.

Da war man in Nordhessen froh, dass mit den zwischenzeitlichen Rückkehrern Rogério Moraes, Julius Kühn, Ivan Martinovic und zuletzt auch Timo Kastening sowie David Mandic die lange Zeit der Ausfälle im neuen Jahr vorbei zu sein schien, prompt füllte sich das Lazarett sofort wieder. Martinovic, Moraes und Mandic, der allerdings aus privaten Gründen, fehlten schon im ersten Heimspiel nach der WM-Pause erneut. Dazu gesellte sich kurzfristig wegen Erkrankung auch noch Kapitän Kai Häfner. Womit direkt klar war, dass der MT im rechten Rückraum kein Linkshänder zur Verfügung stand und Trainer Roberto Garcia Parrondo einmal mehr improvisieren musste.

Beginnen durfte im rechten Rückraum deshalb Andre Gomes. Allerdings zunächst einmal in der Verteidigung und machtlos beim 0:1 durch Viggo Kristjansson, denn das fiel ebenso über die andere Abwehrseite wie auch Luca Witzkes 0:2 (3.). Erst der dritte MT-Angriff brachte durch Arnar Freyr Arnarsson auch das erste Tor für die Hausherren. Die sich im Vorwärtsgang ebenso erst finden mussten wie in der Deckung. Denn neben Gomes auf ungewohnter Position suchten auch die Rückkehrer Kastening und Kühn nach Bindung, was das Angreifen fehleranfällig und die Abwehr löchrig machte.

Verlass war von Anfang an auf Nebojsa Simic. Der hatte die Partie mit einer Doppelparade begonnen und war mit einer starken Reaktion gegen Lukas Binder im Gegenstoß der Wegebereiter zu Timo Kastenings Dreher zum 3:5 (7.). Dass Leipzig in dieser Anfangsphase spielbestimmend war und folgerichtig durch zweimal Moritz Preuss auf 5:8 (10.) ausbaute, vermochte auch er nicht zu verhindern. Dafür sprühte Agustin Casado vor Tatendrang. Das 6:8 (11.) war bereits sein dritter Treffer, der Pass an den Kreis zu Arnarsson zum 8:8-Ausgleich sehenswert. Eine Zeitstrafe gegen Gleb Kalarash nutzten die Gäste jedoch prompt zu gleich drei Volltreffern ins von Simic zugunsten eines sechsten Feldspielers verlassenen Tor, Maciej Gebala legte gar das 8:12 (17.) nach und zwang Parrondo damit zur ersten Auszeit.

Die zweite folgte sogleich durch Runar Sigtryggsson, nachdem Aidenas Malasinskas auf 8:10 (18.) verkürzt hatte. Melsungen blieb also dran, vermochte den Abstand jedoch erst einmal nicht weiter zu verkürzen. Der SC DHfK überstand auch eine zwischenzeitliche Strafe gegen Patrick Wiesmach unbeschadet, weil Kristian Saeveras klasse gegen den durchgebrochenen Malasinskas parierte. Der machte es kurz darauf besser, verwertete den nächsten Pass vom bärenstarken Casado zum 13:15 (25.). Zweimal Arnar Freyr Arnarsson holte die MT trotz zweiter Strafe gegen Gleb Kalarash mit dem 15:16 (27.) zwar auf Tuchfühlung und der eingewechselte Adam Morawski parierte spektakulär gegen Moritz Preuss vom Kreis. Dennoch baute Leipzig zur Halbzeit erneut auf drei Tore aus.

Mit dem Anwurf zur zweiten Hälfte setzte Parrondo auf den siebten Feldspieler. Mit dem Erfolg, dass Arnar Freyr Arnarsson am Kreis nur auf Kosten eines Siebenmeters zu stoppen war und zugleich noch eine Zeitstrafe gegen Viggo Kristjansson zog. Timo Kastening ließ sich die Chance nicht nehmen, ein weiteres Annähern verhinderte der eingewechselte Mohamed El-Tayar mit zwei guten Reaktionen, Agustin Casado scheiterte mit seinem Wurf aus der zweiten Reihe zudem an der Latte. Beide Mannschaften komplett auf Augenhöhe, die Hausherren bei beiderseitiger Torflaute immerhin nur noch mit einem hinten, weil Kastening auch seinen zweiten Strafwurf sicher ins Netz setzte (17:18, 38.).

Fast neun Minuten dauerte es, bis auch Leipzig zum ersten Mal in der zweiten Hälfte jubeln durfte. Gleich zweimal sogar, denn Matej Klima traf doppelt zum 17:20 (40.). Ehe Melsungen seine bis dahin im Gegensatz zur ersten Halbzeit wesentlich gesteigerte Defensivleistung auch in die Vorwärtsbewegungen übertrug. Dimitri Ignatow mit tollem Heber, Elvar Örn Jonsson mit einem fast ansatzlosen Hammer aus dem Rückraum und Timo Kastening einmal mehr von der Siebenmeterlinie glichen zum 20:20 (43.) aus. Melsungen im Flow, Leipzig leicht in Nöten – Runar Sigtryggsson langte zum Auszeit-Buzzer, um Schlimmeres zu verhindern.

Dass er mit seiner Unterbrechung kurzzeitig Erfolg hatte, lag auch an Mohamed El-Tayar, der gegen Andre Gomes auf dem Posten war. Doch Florian Drosten von Linksaußen, eine glänzende Defensivarbeit der gesamten Mannschaft hinten, Gleb Kalarash mit super Einsatz beim Gewinn eines Abprallers und schließlich noch einmal Florian Drosten eiskalt und abgebrüht zum 22:21 (48.) holten den Vorteil erstmals an diesem Abend auf die Melsunger Seite. Da wollte dann auch Julius Kühn nicht in der Liste der Torschützen fehlen und packte, noch immer in der gleichen Spielminute, zum 23:22 den Hammer aus. Die Halle tobte, das sonst eher mit Skepsis begleitete Sieben-gegen-Sechs begeisterte die Fans, sofern sie nicht mit dem SC DHfK fieberten.

Die letzten acht Minuten gerieten zum mitreißenden Abnutzungskampf, in dem Leipzig durch Lukas Binders 24:24 (53.) neue Kraft generierte. Timo Kastening ließ das kalt, er verwandelte seinen fünften Siebenmeter des Abends sicher. Ebenso wie Julius Kühn sowohl Luca Witzkes als auch Viggo Kristjanssons erneute Ausgleichstreffer jeweils binnen Sekunden zum 27:26 (57.) konterte. Ein Fehler im Angriff ermöglichte schließlich Patrick Wiesmach das 27:28, dann sorgte Mohamed El-Tayar vermeintlich für die Vorentscheidung. Er hielt gegen Agustin Casado, dann bugsierte Wiesmach das abgeprallte Leder übers ganze Feld zum 27:29 ins verlassene MT-Tor. Und als nach Florian Drostens Anschluss schließlich Timo Kastening seinen sechsten Siebener verwandeln wollte, stand ihm der zurückgewechselte Kristian Saeveras im Weg und besiegelte den Auswärtserfolg der Messestädter.


Stimmen zum Spiel:

Roberto Garcia Parrondo: Gratulation an Leipzig zum Sieg. Es war ein ganz enges Spiel heute. In der ersten Hälfte war der SC DHfK klar besser als wir, dafür wurden wir nach der Halbzeit wesentlich stärker. Wir haben mit viel mehr Intensität gespielt, hatten dann aber zum Ende hin Pech. Leipzig machte aus zwei Fehlern von uns innerhalb weniger Sekunden zwei Tore und die waren dann entscheidend.

Runar Sigtryggsson: Ich bin sehr glücklich über diesen Sieg. Wir waren im Sechs-gegen-Sechs in der ersten Halbzeit besser, hatten später aber gegen den siebten Feldspieler von Melsungen große Probleme. Die haben in der zweiten Hälfte auch wesentlich kompakter gestanden in der Abwehr und wir hatten einfach Glück mit unseren späten Ballgewinnen. Ein Lob gebührt heute meinem Co-Trainer Milos Putera, der unseren Torhütern entscheidende Tipps gegeben und sie zu den richtigen Zeitpunkten gewechselt hat.

Moritz Preuss (SC DHfK Leipzig) …

… zu seinem ersten Sieg mit Leipzig: „Es freut mich natürlich, dass ich meinen Einstand mit einem Sieg geben konnte. Es war ein schweres Spiel. Wir sind sehr gut gestartet, hatten eigentlich das ganze Spiel unter Kontrolle. Am Ende hatten wir leider viele Probleme im Angriff, sind nicht mehr in die Zweikämpfe gekommen und hatten ein bisschen Angst, in diese zu gehen. Am Ende war es ein verdienter Sieg für uns, aber natürlich hatten wir in den letzten fünf Minuten mit den zwei Treffern auf das leere Tor ein bisschen Glück.“

… zu seinem Debüt im neuen Team: „Ich bin happy, wieder solche Einsatzzeiten zu bekommen. Ich hatte eine fantastische Zeit in Magdeburg. In Leipzig habe ich eine neue Chance bekommen, ich hatte von Anfang an ein tolles Gefühl. Dass wir direkt mit einem Sieg starten, freut mich umso mehr. Das ist die Hauptsache. Jetzt geht es hoffentlich so weiter.“

… zum Ziel Top sechs: „Da wollen viele Mannschaften hin. Es ist ein weiter Weg, aber wir wollen jetzt von Spiel zu Spiel gucken. Nächste Woche haben wir ein Highlight. Zu Hause gegen Magdeburg wollen wir direkt die nächsten zwei Punkte holen."

Julius Kühn (MT Melsungen) …

… zu den Gründen für die Niederlage: „Es sind diese vielen technischen Fehler, die wir immer wieder machen. An einer Aktion kann man das nicht festmachen, es ist die Summe. Wenn man nicht gut in ein Heimspiel reinkommt, muss man versuchen, das über den Kampf zu regeln. Das haben wir leider erst in der zweiten Halbzeit kapiert. In der ersten Halbzeit sind wir immer wieder einem Rückstand hinterhergelaufen, gegen eine Mannschaft wie Leipzig ist das dann schwierig. Wir haben es trotzdem geschafft, in Führung zu gehen. Wie es im Handball so ist, entscheiden dann Kleinigkeiten.“

… zu der kämpferischen Einstellung seiner Mannschaft: „Wichtige Spieler haben uns gefehlt. Wir haben versucht, das zu kompensieren. Das ging dieses Mal nur mit dem Kampf. Dann ist es auch manchmal egal, ob man die ganze Zeit das Richtige tut. Wenn man mit hundertprozentigem Einsatz dahintersteht, dann funktionieren manchmal solche Dinge eben auch. Am Ende bringt uns das alles nichts, das Spiel ist verloren.“

… zu seiner eigenen Leistung trotz Niederlage: „Es ist ein Scheißgefühl, man kann sich davon nichts kaufen. Man kann sagen, dass wir ein schönes Spiel gemacht und großartig miteinander gekämpft haben. Wenn wir morgen aufwachen, ist es immer noch eine Niederlage. Dafür können wir uns nicht viel kaufen.“

… zum harten Programm von Melsungen: „In der Bundesliga sind keine Spiele leicht, aber jetzt stehen die nächsten richtigen Brocken an. Aber wir werden jetzt nicht sagen: Na gut, dann fahren wir hin und schauen, was passiert. Wir müssen einfach mehr zueinander finden. Diese Überzeugung, die wir in der zweiten Halbzeit gebracht haben, von Anfang an bringen. Man kann auch gegen solche Mannschaften Punkte holen. Es ist nicht gerade leicht, aber da ist nichts unmöglich.“

Michael Allendorf (Sportdirektor MT Melsungen) …

… zu einer möglichen Überbesetzung auf Rückraum rechts (vor dem Spiel): „Es sind alles Spieler von hoher Qualität. Wir wollen uns ja verbessern. Deswegen ist der Plan des Trainers und des Vereins erstmal, mit allen drei Spielern in die Saison zu gehen. Was passieren kann, sieht man aktuell. Bei dem Verletzungspech, was wir aktuell haben, sind wir froh, etwas breiter aufgestellt zu sein.“


MT Melsungen: Simic (3 Paraden / 14 Gegentore), Morawski (9 P. / 15 G.); Kühn 3, Malasinskas 2, Casado 4, Ignatow 2, Beekmann 1, Ohl, Drosten 3, Jonsson 2, Arnarsson 5, Gomes, Kalarash, Hörr, Fuchs, Kastening 6/5 - Trainer Roberto Garcia Parrondo.

SC DHfK Leipzig: Saeveras (7 P. / 15 G.), El-Tayar (8 P. / 13 G.); Wiesmach 5, Ernst, Witzke 7, Krzikalla, Meyer-Siebert, Binder 3, Klima 3, Preuss 3, Gebala 2, Matthes, Sajenev, Heitkamp, Kristiansson 6/1 - Trainer Runar Sigtryggsson.

Schiedsrichter: Rames Thiyagarajah (München) / Suresh Thiyagarajah (Köln)

Zeitstrafen: 6 – 6 Minuten (Casado 10:33, Kalarash 14:08 26:13 – Wiesmach 22:02, Kristjansson 30:52, Preuss 37:13)

Strafwürfe: 6/5 – 1/1 (Kastening scheitert an Saeveras 59:25)

Zuschauer: 3.586 in der Rothenbach-Halle, Kassel


Die nächsten Spiele:

So., 26.02.23, 14:00 Uhr, Füchse Berlin – MT Melsungen, Max-Schmeling-Halle

Do., 02.03.23, 19:05 Uhr, VfL Gummersbach – MT Melsungen, Schwalbe-Arena

So., 19.03.23, 14:00 Uhr, MT Melsungen – THW Kiel, Rothenbach-Halle Kassel