Kassel - Mit einem knappen, aber verdienten Sieg im Hessenderby hat sich die MT Melsungen nach der Pokal-Enttäuschung in der Liga schadlos gehalten. Mit 30:28 (17:15) bezwangen die Nordhessen am Sonntag die HSG Wetzlar auch im Rückspiel und zogen damit in der Tabelle an den Mittelhessen vorbei. Dabei war ihnen der Kräfteverschleiß deutlich anzumerken gegen Gäste, die eine ganze Woche Zeit zur Vorbereitung hatten.

Garant des Sieges war trotz neun Toren von Timo Kastening bei neun Versuchen, Schlussmann Silvio Heinevetter. Der verbuchte nämlich unter seinen 16 Paraden auch drei gehaltene Siebenmeter und avancierte zum eindeutigen Matchwinner für die MT. Wetzlar hatte im achtmal erfolgreichen Lenny Rubin seinen auffälligsten Akteur.

Ohne Michael Allendorf, der sich im Pokalfinale vor zwei Tagen eine Zerrung zugezogen hatte und für den Yves Kunkel übernahm, aber auch ohne Felix Danner mussten die Nordhessen das Spiel beginnen. Der künftige Wetzlarer plagte sich mit Rückenschmerzen. Für Danner in der Innenverteidigung neben Kapitän Finn Lemke: Arnar Freyr Arnarsson. Auch die Wetzlarer waren von Ausfällen nicht verschont: mit Alexander Feld, Olle Schefvert und Stefan Cavor fehlten ihnen gleich drei Stammkräfte. Und noch eine weitere personelle Änderung gab es auf Seiten der MT: Timo Kastening besetzte wieder die rechte Außenbahn und war sofort hellwach: zwei Tempogegenstöße, zwei Tore zum frühen 3:1 (3.).

Auch wenn die Gäste diesen Rückstand schnell wieder egalisierten war deutlich: Melsungen war um viel Tempo bemüht. Das klappte nicht immer, wenn sich die Mittelhessen hinten sortieren konnten. Ansonsten aber wurde nicht lange taktiert, sondern aktiv die beste Anspielstation gesucht. Das war oft Kastening, der mit dem 7:5 bereits zum vierten Mal traf, nachdem gerade zuvor Yves Kunkel im Gegenstoß erfolgreich gewesen war. Dem wurde die Geschwindigkeit kurz darauf jedoch zum Verhängnis, als er beim Wechsel zu schnell aufs Feld wollte und die erste Strafe der Partie kassierte. Melsungen blieb trotzdem konzentriert und baute den Abstand mit Arnar Freyr Arnarssons Nachsetzen zum 9:6 aus (14.).

Wetzlar blieb dennoch dran, konnte über den agilen Ivan Srsen sogar wieder auf 10:9 aufschließen und hatte auch die Chance zum Ausgleich. Die aber vereitelte Heinevetter mit einer tollen Parade bei Maximilian Holsts Siebenmeter. Vorn besaß die MT ohnehin immer eine Antwort auf das, was Wetzlar anstellte, und die hieß Timo Kastening. Ob als Leger, Kunstwurf ins lange Dreieck, als genialen Dreher vorbei am eingewechselten Tibor Ivanisevic oder in den leeren Kasten, als es die Gäste mit dem Siebten Feldspieler versuchten und an Finn Lemke hängen blieben – der Rechtsaußen machte mit dem 15:11 schon seinen siebten Treffer des Tages und zwang Kai Wandschneider damit zur Auszeit. Aus der die Gäste schwungvoll zurückkamen. Kristian Björnsen verwertete Emil Mellegards Kempa-Anspiel zum 16:14 und traf zum 17:15 (29.). Noch größeres Ungemach verhinderte zum Glück Silvio Heinevetter mit seiner Rettungstat gegen Lenny Rubin unmittelbar vor der Halbzeitsirene.

Auch aus der Kabine zurück brachte die HSG etwas mehr Spielfreude mit. Und frische Kräfte: Lars Weißgerber und Philip Henningsson trafen, Emil Mellegard auch – unentschieden 19:19 (34.). Julius Kühn und immer wieder Heinevetter stemmten sich dagegen und hielten eine knappe Führung und wenigstens das Remis, als Wetzlar erneut ausgeglichen hatte. Auch Kastening war wieder zur Stelle als es brenzlig wurde (21:20, 39.). Spielerische Linie war auf beiden Seiten nur noch wenig drin, dafür wurde die Partie zum packenden Kampfspiel. Die Deckungsreihen lieferten Höchstleistungen ab, Siebenmeter kamen zwangsläufig. Tobias Reichmann verwandelte seinen sicher zum 22:21, Max Holst scheiterte zum zweiten Mal an Heinevetter (43.). Dennoch glich Filip Mirkulovski einmal mehr aus – mit dem ersten Feldtor nach fast sechs langen Minuten (45.).

Dass Björnsen eine der trotz der abwehrlastigen Partie seltenen Strafen absitzen musste, kam vor allem Yves Kunkel entgegen. Zweimal wurde er mustergültig freigespielt, zweimal traf er. Und nachdem Heinevetter seine dreizehnte Parade abgeliefert hatte, sogar gegen vollzählige Wetzlarer. Die vierzehnte schließlich nutzte Finn Lemke zum Gegenstoß – Melsungen führte 26:23 (51.). Heinevetter aber hatte noch längst nicht genug. Gegen Lars Weißgerber holte er sich den dritten Siebenmeter des Tages und als Björnsen seine zweite Strafzeit absitzen musste, legten seine Mitstreiter im Feld nach: Kunkel und Pavlovic erhöhten auf 28:23 (54.).

Das hätte die Vorentscheidung sein müssen. Doch weil Julius Kühn nicht am zurückgewechselten Till Klimpke vorbei kam, Kai Häfner nur den Innenpfosten traf und auf der Gegenseite zweimal Lenny Rubin sowie Magnus Frederiksen trafen, war etwas mehr als drei Minuten vor Schluss plötzlich doch wieder Feuer drin. Und obwohl Silvio Heinevetter ganz stark gegen Frederiksen im Gegenstoß parierte, gelang Philip Henningsson sogar der Anschluss. Dann trafen Kühn und Rubin – 29:28, nur noch 37 Sekunden zu gehen. Der Rest war blanke Routine: Gudmundur Gudmundsson zog bei 22 Sekunden Rest die Grüne Karte, sieben Sekunden vor Schluss pflügte Kai Häfner unwiderstehlich durch die konsternierte HSG-Deckung und warf ein zum Endstand. Eine Energieleistung mit dem dritten Spiel innerhalb von vier Tagen hatte aus Sicht der MT doch noch ihr gutes Ende gefunden.


Stimmen zum Spiel:

Gudmundur Gudmundsson: Es war damit zu rechnen, dass es schwer wird. Und ich bin stolz auf meine Mannschaft, mit welcher Art und Weise sie das heute gemacht hat. Wir haben wirklich ein Hammerprogramm hinter uns. Wir waren leer nach dem Pokalspiel. Aber wie wir heute angefangen haben, das war richtig gut. Die Abwehr stand und gegen eine gute Wetzlarer Mannschaft haben wir auch vorn immer wieder Lösungen gefunden. Dazu hatten wir einen überragenden Silvio Heinevetter hinter uns. Ein Riesenkompliment an meine Mannschaft, sie hat heute Charakter gezeigt.

Kai Wandschneider: Herzlichen Glückwunsch an Gudmi, Finn und die MT Melsungen zum Sieg. Man muss natürlich einordnen, dass Melsungen ein Hammerprogramm hinter sich hat. Deswegen hatten wir uns auch was ausgerechnet. Wir haben es immerhin besser gemacht als in der Hinrunde, aber ich bin damit trotzdem nicht zufrieden. Wir sind an Silvio Heinevetter gescheitert. Zum Schluss kamen wir ja nochmal ran, sind dann aber wieder an diesem tollen Keeper gescheitert. Bei uns haben die allerletzte Konsequenz und das Umschalten nach Ballgewinnen gefehlt. Normalerweise müssen wir uns über Tempogegenstöße für die gute Abwehrarbeit belohnen, haben das aber heute nicht geschafft.


Die weiteren Stimmen der Kapitäne Finn Lemke (MT) und Kristian Björnsen (HSG) entnehmen Sie dem Livemitschnitt der Pressekonferenz auf YouTube.


Statistik:

MT Melsungen: Heinevetter (16 Paraden / 28 Gegentore), Simic (n. e.) – Maric, Kühn 6, Lemke 1, Kompenhans, Reichmann 3/3, Kunkel 5, Mikkelsen, Arnarsson 1, Pregler, Häfner 2, Salger 1, Kastening 9, Pavlovic 2 – Trainer Gudmundur Gudmundsson.

HSG Wetzlar: T. Klimpke (3 P. / 16 G.), Ivanisevic (5 P. / 14 G.), Suljakovic (n. e.) – Srsen 4, Henningsson 2, Björnsen 6, O. Klimpke, Mirkulovski 2, Weissgerber 1, Holst 1/1, Fredriksen 1, Gempp, Mellegard 3, Rubin 8, Lindskog - Trainer Kai Wandschneider.

Schiedsrichterinnen: Tanja Kuttler (Meckenbeuren) / Maike Merz (Oberteuringen)

Zeitstrafen: 4 – 6 (Kunkel 12:01, Pavlovic 26:58 – Rubin 18:56, Björnsen 45:06 51:54)

Strafwürfe: 3/3 – 4/1 (Holst scheitert an Heinevetter 17:26 und 42:38 Min., Weißgerber scheitert an Heinevetter 51:24 Min.)

Spielort: Rothenbach-Halle Kassel, ohne Zuschauer


Die beiden nächsten Spiele:

So., 13.06.21, 16:00 Uhr, Rhein-Neckar Löwen – MT Melsungen, SAP Arena Mannheim

Do., 17.06.21, 19:00 Uhr, MT Melsungen – TSV Hannover-Burgdorf, Rothenbach-Halle Kassel