Melsungen - Nachdem am Mittwoch in der deutschen Auswahl bei der Handball-Europameisterschaft in Bratislava weitere Corona-Fälle bekannt geworden waren, macht der DHB nun weiter von der Möglichkeit Gebrauch, auch Spieler nachrücken zu lassen, die nicht im ursprünglichen 35er Kader standen. Einer von ihnen ist Tobias Reichmann. Der Rechtsaußen der MT Melsungen wird am Donnerstagvormittag im slowakischen EM-Quartier erwartet.

Am Abend soll das Gislason-Team im ersten Hauptrundenspiel gegen Europameister Spanien antreten. Allerdings sagte Mark Schober, DHB-Vorstandsvorsitzender, dass ein Antrag bei der EHF gestellt wurde, das Spiel eventuell zu verlegen. Die Entscheidung fällt am Donnerstagvormittag.

Bei Christoph Steinert, Sebastian Heymann, Djibril M’Bengue sowie bei einem Mitglied des Betreuerstabes waren am Mittwoch Positivbefunde nach selbstveranlassten Corona-Tests ermittelt worden. Ohne die wegen des Infekts ausfallenden Spieler ständen somit für das erste Hauptrundenspiel am Donnerstag gegen Spanien vor Ort nur 13 Akteure zur Verfügung.

Der DHB informierte in einer Sonderpressekonferenz am späten Mittwochabend, dass in Absprache mit den Vereinen und der HBL nun noch drei weitere Spieler nachgeholt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese im ursprünglichen 35er EM-Kader aufgeführt waren. Diese Ausnahme wurde angesichts der stetigen corona-bedingten Ausfälle von der EHF ermöglicht.

So ereilte im Mittwochabend auch Tobias Reichmann der Anruf aus Bratislava. Der MT-Rechtsaußen, der zum Zeitpunkt der Zusammenstellung des EM-Kaders noch verletzt war, ist inzwischen wieder fit und absolviert aktuell das Vorbereitungstraining mit der MT auf die zweite Saisonhälfte. Der Europameister von 2016 wird am Donnerstagvormittag im deutschen EM-Quartier erwartet. Neben Tobias Reichmann werden auch noch David Schmidt, Rückraum rechts, und Lukas Stutzke, Rückraum links, beide vom Bergischen HC, nachrücken.

Ob der Hauptrundenauftakt der deutschen Mannschaft gegen Europameister Spanien tatsächlich wie vorgesehen am Donnerstag um 18:00 stattfindet, wird sich am frühen Vormittag entscheiden. Der DHB hat vorsichtshalber einen Antrag gestellt, das Spiel zu verlegen. Sollten sich bei den zuvor anstehenden Tests jedoch keine weiteren Positivfälle mehr ergeben, könnte Trainer Alfred Gislason gegen Spanien einen 16er Kader benennen. Das Spiel ist dann live in der ARD zu sehen, de Übertragung beginnt um 17:45 Uhr.


Reichmann auf dem Weg nach Bratislava

Mit MT-Rechtsaußen Tobias Reichmann und den beiden Rückraumspielern vom Bergischen HC, David Schmidt und Lukas Stutzke, stoßen heute drei weitere nachnominierte Spieler zum deutschen EM-Kader. Unmittelbar vor dem Abflug in Frankfurt stand Tobias Reichmann noch für ein kurzes Telefoninterview zur Verfügung.

Donnerstagmorgen, 9:00 Uhr, Flughafen Frankfurt. Tobias Reichmann wartet auf seinen Abflug nach Wien. Wir erwischen ihn am Telefon, kurz vor dem Boarding. Der MT-Rechtsaußen hat sich in aller Frühe in Nordhessen auf den Weg gemacht. Um 09:50 Uhr startet die Maschine Richtung österreichische Hauptstadt. Flugdauer 01:25 Stunden. Von dort aus geht es dann die letzten rund 80 Kilometer nach Bratislava mit dem Auto. Wenn zeitlich alles nach Plan verläuft, sollte er spätestens bis 13:00 Uhr im deutschen EM-Quartier angekommen sein – nur fünf Stunden vor dem Anwurf zum ersten Hauptrundenspiel gegen Europameister Spanien.


Tobias Reichmann (Foto: Alibek Käsler).Als gestern der Anruf von Alfred Gislason kam, hast Du überlegt, ob Du Dich wirklich in dieses Abenteuer stürzen sollst?

Reichmann: Ja, aber nur kurz. Denn letztendlich ist immer der Gedanke da, der Mannschaft zu helfen.


Hattest Du bislang Kontakt zu Spielern im EM-Quartier?

Reichmann: Ja, klar, ich habe mit einigen gesprochen, gefragt, wie es ihnen geht, wie die Bedingungen vor Ort sind.


Wie beurteilst Du den sportlichen Wert der EM angesichts der widrigen Begleiterscheinungen?

Reichmann: Es ist sicher nicht optimal, wenn die Mannschaft zu jedem Spiel neu zusammengewürfelt werden muss. Andererseits zeigen diese Umbesetzungen auch, dass es eine hohe Qualität gibt und dass wir – egal in welcher Besetzung – eine schlagkräftige Truppe auf die Beine stellen können.


Hast Du Hoffnung, schon gleich heute zum Einsatz kommen, sofern das Spiel stattfindet?

Reichmann: Ja, die habe ich. Wobei ja zunächst die obligatorischen Corona-Testbefunde abgewartet werden müssen. Aber ich gehe davon aus, dass da alles in Ordnung ist. Ansonsten bin ich soweit fit, da wir mit der MT ja schon seit eineinhalb Wochen im Vorbereitungstraining sind.


Wir wünschen Dir viel Glück und natürlich, dass Du negativ bleibst!

Reichmann: Ja, das hoffe ich auch. Vielen Dank!


Axel Geerken: Glücklich sind wir nicht darüber

MT-Vorstand Axel Geerken sieht die Lage rund um die Europameisterschaft mit gemischten Gefühlen: "Natürlich können und wollen wir es unseren Spielern nicht verbieten, an einer EM teilzunehmen. Zumal die von sich aus ja alle hochmotiviert sind und sich sehr darauf freuen – egal ob von Beginn an oder als Nachrücker, wie in diesem Fall Tobias Reichmann. Dennoch: So ganz glücklich sind wir über die derzeitige Situation nicht. Vor allem, wenn wir hören, dass einige unserer Spieler, die positiv getestet wurden und sich seitdem in Quarantäne befinden, nach anfänglicher Symptomfreiheit inzwischen doch mit diversen Begleiterscheinungen zu kämpfen haben".

Häfner und Kastening leiden unter typischen Symptomen

Die MT-Profis Kai Häfner und Timo Kastening gehören zu den am Montag positiv getesteten Spielern im deutschen EM-Kader ud bedinden sich seitdem in ihren Axel Geerken (Foto: Alibek Käsler).Hotelzimmern in Isolation. Beide äußerten sich inzwischen in Medien über ihren Gesundheitszustand: So berichtet Kai Häfners Vater Wolfgang in der Schwäbischen Post, dass sein Sohn von Schüttelfrost, Schweißausbrüchen, Fieber, Kopf- und Halsschmerzen gebeutelt sei. Er schätze die Chance auf eine Rückkehr des Linkshänders im Verlauf des Turniers als niedrig ein.

Und auch Timo Kastening zweifelt an einem Comeback im Verlauf der EM, wie er in seiner gestrigen Spiegel-Kolumne verrät: “Besonders gut geht es mir noch nicht. Ich habe Hals- und Kopfschmerzen und Husten. Wenn die Mannschaft sich zu einer Sitzung verabredet, die online stattfindet, bin ich nicht mehr dabei. Ich vertreibe mir dann eben die Zeit mit Netflix”.

In den Gruppenspielen gegen Belarus und Österreich waren Kai Häfner und Timo Kastening aufgrund ihrer überragenden Leistungen jeweils noch zum “Player of the Match” gekürt worden. Inzwischen müssen sie befürchten, dass die EM für sie vorbei ist.

Einzig Julius Kühn, der erste im deutschen Team positiv getestete Spieler, hat nach Aussage von Sportvorstand Axel Kromer in der gestrigen DHB-Pressekonferenz keinerlei Symptome mehr, lediglich die CT-Werte seien noch nicht ganz in Ordnung. Der Rückraumshooter könnte also bald wieder auf dem Spielfeld stehen.