Hamm - Am neunten Spieltag der Handball-Bundesliga landete die MT Melsungen gestern einen souverän herausgespielten 28:18-Sieg bei Liga-Neuling ASV Hamm-Westfalen. Angereist als Favorit gaben sich die Nordhessen keine Blöße und setzten mit einer 6:0-Führung nach nur acht Minuten ein erstes Ausrufezeichen. Was sie mit dem 18:10-Vorsprung zur Halbzeit auch bestätigten.

Im zweiten Durchgang wurden die erarbeiteten Chancen zwar nicht mehr ganz so konzentriert genutzt – dennoch stand am Ende ein hochverdienter Sieg mit 10 Toren Unterschied zu Buche. Auffälligste Akteure im MT-Dress waren Torhüter Nebojsa Simic mit einer fantastischen Quote von 60 Prozent gehaltener Bälle. Bester Torschütze war André Gomes mit acht Treffern. Auf der anderen Seite traf Hamms Halbrechter Jan von Boenigk (4) am häufigsten.

Das Spiel in der 2.650 Plätze bietenden Westpress Arena verfolgten 2.234 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die 240 Reisekilometer haben sich richtig gelohnt. Zwei wertvolle Auswärtspunkte bringt die MT Melsungen aus Hamm mit nach Hause und setzt damit ihren noch jungen Aufwärtstrend fort. Es ist der dritte Sieg im dritten Pflichtspiel (einschließlich DHB-Pokal) in Folge und der souveränste obendrein.

Wie bereit die Nordhessen für dieses Spiel waren, zeigten sie vom Anpfiff weg. Die Starting Seven “Mandic - Casado - Malasinskas - Martinovic - Fuchs - Arnarsson - Simic”, war schon nach 43 gespielten Sekunden erfolgreich. Kreisläufer Arnar Freyr Arnarsson, bedient von Regisseur Aidenas Malasinskas, erzielte den ersten Treffer der Partie. Nachdem dann Nebojsa Simic zweimal gegen Savvas Savvas und Mait Patrail parierte und zwischendurch Agustin Casados Wurf sein Ziel nicht gefunden hatte, machte es der Spanier in seinem zweiten Versuch besser und nutzte das Kempa-Anspiel von Ivan Martinovic zum 0:2 (4. Min.).

Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, dass MT-Coach Roberto Garcia Parrondo den Gegner von Anfang an mit einer 7 gegen 6-Formation konfrontierte, mit der die ASV-Abwehr überhaupt nicht zurechtkam. So fielen in nur weiteren vier Spielminuten die Melsunger Tore Nummer 3 (Arnarsson), 4 (Malasinskas), 5 (Casado) und 6 (Fuchs) beinahe wie reife Früchte. Zu viele, wie Hamms Trainer Michael Lerscht befand und beim 0:6 (9. Min.) den Auszeit-Buzzer drückte.

Wenig später brachte ausgerechnet Torhüter Vladimir Bozic den Knoten bei den Hausherren zum Platzen, indem er mit einem langen Ball ins verwaiste Melsunger Tor zum 1:6 traf (10.). Das schien dem Liga-Neuling Mut zu machen, denn Jan von Boenigk und Tim Wieling komplettierten mit ihren beiden Treffern den 3:0-Lauf zum 3:6 (13.). Profitiert hatten sie dabei jeweils von drei vergeigten MT-Angriffen.

Aber die Nordhessen bekam das Heft des Handelns wieder in die Hand – auch wenn Hamm im Verlauf dieses ersten Durchgangs noch einige Male bis auf jeweils drei Tore herankommen konnte (u.a. 6:9, 18. Min. und 8:11, 21.). Zwischenzeitlich hatte Roberto Garcia Parrondo frische Kräfte aufs Feld beordert: André Gomes war für Agustin Casado auf Halblinks und Elvar Örn Jonsson als Spielmacher für Aidenas Malasinskas gekommen.

Für den isländischen Regisseur, der schon kurz nach seiner Einwechslung einen fulminanten Sprungwurftreffer landete, war der Arbeitstag aber bereits nach nur 200 Sekunden zu Ende. Bei einer Abwehraktion hatte er unglücklicherweise den Wurfarm des Gegenspielers erwischt und wurde dafür mit Rot vom Feld geschickt.

Wovon sich die Rotweißen indes nicht aus dem Tritt bringen ließen. Im Gegenteil: Nach dem 8:12 (21.) durch Kapitän Kai Häfner, dem gerade Ivan Martinovic Platz gemacht hatte, zeigte Nebojsa Simic bereits seine neunte Parade. Und vorne lief es weiter wie geschmiert. Ob über Außen (Julian Fuchs), vom Kreis (Arnar Freyr Arnarsson) oder aus dem Rückraum André Gomes) – die Torgefahr der MT ging von allen Mannschaftsteilen aus. Vor allem der gut aufgelegt Portugiese war in den Schlussminuten des ersten Durchgangs kaum zu bremsen und sorgte mit einem Hattrick – ein Sprungwurf schöner als der andere – für einen beruhigenden 10:18-Halbzeitstand.

In unveränderter Besetzung ging Melsungen auch in den zweiten Durchgang. Nach einem Fehlangriff der Gastgeber parierte auf der anderen Seite der für Vladimir Bozic jetzt das Tor hütende Felix Hertlein einen Wurf von David Mandic. Und auch Nebojsa Simic war danach gegen Hamms Marian Orlowski wieder auf dem Posten. Keine Frage, in diesen ersten Minuten der zweiten Spielhälfte war hüben und drüben noch Sand im Getriebe. Den Bann brach dann MT-Kapitän Kai Häfner mit dem Tor zum 10:19 (35.).

Der weitere Verlauf ist schnell erzählt: Die MT ließ den Gegner nur zweimal bis auf jeweils sechs Tore herankommen (13:19, 39. und 14:20, 42.) blieb ansonsten aber klar in der Vorhand. Nach 47 gespielten Minuten war zum ersten Mal ein 10-Tore-Abstand erreicht (14:24) – es war die Vorentscheidung. Die kurz zuvor von ASV-Trainer Michael Lerscht genommene Auszeit konnte daran nichts ändern.

Sein Melsunger Pendant, Roberto Garcia Parrondo, nutzte die Unterbrechung, um Domagoj Pavlovic nach monatelanger Verletzungspause ein Comeback zu ermöglichen. Und “Domba” klinkte sich sogleich routiniert in das Angriffsgeschehen ein, riskierte mit viel Einsatz auch einen Durchbruch, wenngleich ihm ein Torerfolg versagt blieb.

Der wiederum gelang dem ebenfalls eingewechselten Lasse Ohl. Dem 17-jährigen Kreisläufer aus dem MT-eigenen Nachwuchsbereich war es vorbehalten, den Schlusspunkt zum 18:28 zu setzen. Es war förmlich bis in den letzten Winkel der Halle zu spüren, dass Kapitän Kai Häfner absolut darauf fokussiert war, ihn mit einem Anspiel aussichtsreich zu bedienen. Etwas überrascht, aber dann blitzschnell im Nachfassen brachte Lasse Ohl Ball und Nerven unter Kontrolle und das Spielgerät im gegnerischen Gehäuse unter.


Nebojsa Simic zum Spiel:

“Ich finde, wir habe heute ein super Spiel gemacht. Wir hatten bisher sehr viel Pech mit Verletzungen, wichtige Spieler haben gefehlt und fehlen immer noch. Aber der ein oder andere ist inzwischen zurückgekommen, jetzt können wir mehr rotieren, haben mehr Alternativen. Dieser Sieg heute war die Fortsetzung der beiden vorangegangenen erfolgreichen Spiele. Wir wollten unbedingt punkten und wollen unbedingt auch weiter in der Tabelle nach oben. Ich selber habe mich heute sehr gut gefühlt, ich war richtig heiß und dachte zwischendurch, heute kannst Du jeden Ball halten”.


ASV: Bozic (1 .- 29. Min.; 6 Paraden / 1 Tor / 17 Gegentore, ), Hertlein (30. - 60. Min.; 5 P. / 11 G.) – Huesmann 1, Patrail, Bratzke, Schulze 1, Pretzewofsky 1, Bornemann 2, Orlowski 1, Dayan 2, Savvas, von Boenigk 4, Wieling 2, Bauer 3 – Trainer Michael Lerscht.

MT: Simic (1. - 46. Min.; 17 Paraden / 14 Gegentore), Morawski (47. - 60. Min.; 1 P. / 4 G.) – Malasinskas 2, Casado 4, Ignatow, Ohl 1, Drosten, Jonsson 1, Arnarsson 4, Gomes 8, Kalarash 1, Häfner 3, Fuchs 2, Martinovic 1/1, Mandic 1, Pavlovic – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

Strafwürfe: 0/2 – 1/1 (Huesmann scheitert an Simic, 15:44 Min.; Savvas wirft neben das Tor, 38:22 Min.).

Zeitstrafen: 8 Min. – 8 Min. (Bauer, 12:43 Min.; Bornemann, 22:29; Bozic, 29:11; von Boenigk, 38:59; – Kalarash, 13:44 Min.; Gomes, 38:19; Martinovic, 57:03);

Disqualifikation: Jonsson wegen Foulspiels, 15:40 Min.

Schiedsrichter: Martin Thöne (Lilienthal) / Marijo Zupanovic (Berlin).

Zuschauer: 2.234, Westpress Arena Hamm


Das nächste Spiel:

Do., 03.11.22, 19:05 Uhr, MT Melsungen – VfL Gummersbach, Rothenbach-Halle Kassel


MT Melsungen verlängert mit Gleb Kalarash

Gleb Kalarash kam im Oktober 2021 vom HBW Balingen-Weilstetten zur MT Melsungen. Um dort eigentlich nur bis zum Saisonende die Lücke in der Abwehr zu schließen, die durch Finn Lemkes verletzungsbedingten Ausfall entstanden war. Da sich an dieser Situation auch jetzt noch nicht geändert hat, verständigten sich der Handball-Bundesligist und der Defensivspezialist auf eine Vertragsverlängerung bis zum 30. Juni 2023.

Der Abwehr mehr Stabilität zu verleihen, das war von Anfang an eines der obersten Ziele von Trainer Roberto Garcia Parrondo. Durch den plötzlichen Ausfall von Finn Gleb Kalarash (Foto: Alibek Käsler).Lemke Ende September letzten Jahres sah man bei der MT Melsungen genau dieses Ziel aber als gefährdet an. Insofern waren die Verantwortlichen der Rotweißen seinerzeit sehr froh darüber, dass der HBW Balingen-Weilstetten einem kurzfristigen Wechsel von Gleb Kalarash (A. Käsler-Foto) nach Nordhessen zustimmten.

Vor allem der damals ebenfalls erst frisch bei der MT im Amt befindliche Roberto Garcia Parrondo freute sich, seinen ehemaligen Schützling aus der erfolgreichen Ära bei Vardar Skopje wieder in seiner Mannschaft zu haben. Mit dem nordmazedonischen Topteam hatten schließlich beide zwei Jahre zuvor die Champions League gewonnen.

Der Vertrag mit Gleb Kalarash sollte ursprünglich nur bis zum Ende der Saison 2021/22 laufen, wurde dann aber bis zum 31. Dezember diesen Jahres verlängert. Weil jedoch Finn Lemkes Rückkehr weiterhin ungewiss ist und sich vor kurzem der ebenfalls abwehrstarke Neuzugang Rogério Moraes auch noch verletzt hat, sind Kalarash’s Fähigkeiten weiterhin sehr gefragt.

“Gleb hat sich als echte Verstärkung erwiesen. Er ist inzwischen absolut mit unseren System vertraut und die Abstimmung mit seinen Nebenleuten klappt sehr gut. Das ist ja geradezu die Basis für eine effektive Abwehrarbeit. Aber auch vorne kann er uns punktuell unterstützen, wie er gerade in den letzten Spielen gezeigt hat. So lag es angesichts unserer personellen Situation auf der Hand, den Vertrag mit ihm bis zum Ende dieser Saison zu verlängern. Alles Weitere muss man sehen”, erklärt Sportdirektor Michael Allendorf.

Gleb Kalarash ist ein Macher, weniger ein Mann vieler Worte. Seine Sprache ist die des Malochers auf dem Spielfeld. Und da zeigt er stets vollen Einsatz (A.-Käsler-Foto, unten). Er scheint förmlich in seiner Abwehrarbeit aufzugehen, legt dort seine ganze Erfahrung hinein. “Ich freue mich, dass ich nun noch etwas länger bleiben und der Mannschaft helfen kann. Ich hoffe, unsere positive Entwicklung geht jetzt so weiter. Ich will zumindest dazu meinen Beitrag leisten”, sagt Gleb Kalarash.

Die nächste Gelegenheit dazu hat der 31-Jährige schon am heutigen Donnerstag, wenn die Rotweißen beim Aufsteiger ASV Hamm-Westfalen antreten (19:05 Uhr, live auf sky).


Kurzsteckbrief Gleb Kalarash

Geburtsdatum / -ort: 29.11.1990 / Moskau (RUS)

Größe / Gewicht: 205 cm / 100 kg

Familienstand: verheiratet

Bisherige Clubs: Newa St. Petersburg (RUS), 2013–2015; HK Motor Zaporozhye (UKR), 2015–2017; SC Magdeburg (GER), 2017–2018; RK Vardar Skopje (MKD), 2018-2019; HK Motor Zaporozhye (UKR), 2019–2019; HK Vardar Skopje (MKD), 2019-2021; HBW Balingen-Weilstetten (GER), Sept./Okt. 2021; MT Melsungen, ab Okt. 2021

International:

65 Länderspiele RUS

WM-Teilnahme 2019

EM-Teilnahme 2020

Champions League-Sieger 2019