Kassel - Die letzte seiner erneut 16 Paraden war die wichtigste: Als Nebojsa "Simo" Simic 69 Sekunden vor Schluss mit dem linken Fuß auch noch den Strafwurf von Goran Sjögard Johannessen abwehrte, hatte die MT Melsungen doch noch die Chance auf einen Punktgewinn gegen die SG Flensburg-Handewitt. Und prompt nutzten seine Vorderleute die Gunst der Stunde: Der immer stärker auftrumpfende Agustin Casado versuchte einen Durchbruch, wurde gefoult und so konnte nun Aidenas Malasinskas antreten zum Siebenmeter. Drei Sekunden vor der Sirene sauste der Ball als Aufsetzer ins Flensburger Netz. Das 25:25 (12:12) war perfekt, die MT blieb auch im siebten Pflichtspiel in Folge unbesiegt und setzt ihre Aufholjagd in der Handball-Bundesliga weiter fort. Nun ist das Team - von Rang 14 kommend – schon Tabellensiebter.

4.309 Zuschauer sorgten dank der neuen Westtribüne nicht nur für einen neuen Rekord in der MT-Historie, sie erlebten auch ein Handball-Fest, ein großartiges Spektakel. In dem Kai Häfner zum 1:0 traf und später nicht weniger als fünfmal zu Ausgleichstoren erfolgreich war. Am Ende war der MT-Stratege mit sieben Buden der Topscorer der Partie mit höchst unterschiedlichen Phasen und mehrfachem Führungswechsel. Bis zum 9:8 durch Melsungens Elvar Örn Jönsson (21.) hatten stets die Norddeutschen vorgelegt, nun erzwangen die kompakt-bissige MT-Abwehr und der allmählich in Fahrt kommende Torwart Simic die Trendwende.

Der Isländer erzielte artistisch per Rückhandwurf auch das 10:9 (23.), nun war die MT am Drücker und Gleb Kalarash – wie so oft Kämpfer und Einpeitscher – stellte gar auf 12:10. Doch der starke SG-Torwart Buric parierte erst Ivan Martinovics Wurf und traf dann selbst ins verwaiste Gehäuse der Hausherren zum 12:12-Pausenstand.

Nach Wiederfanpfif bestimmten weiterhin resolut zupackende Abwehrreihen das Geschehen, immer wieder entsprangen die wenigen Treffer nur Einzelaktionen. Bei der SG wurde nun Messing mit fünf Treffern aus dem linken Rückraum zum Trumpf, bei der MT mehr und mehr Simic. Kreisläufer Arnar Freyr Arnarsson wuchtete mit grenzenloser Entschlossenheit den Ball gegen drei Verteidiger zum 17:16 ins Netz (43.), Häfner brachte mit dem 17:16 (44.) die Fans vollends zum Toben.

Doch Co-Trainer Maik Machulla stoppte den Lauf mit einer Auszeit, und sein Team wendete mit einem 3:0-Lauf zum 17:19 (46.) wieder das Blatt. André Gomes drehte zwar mit wuchtigen Durchbrüchen noch einmal den Spieß um (21:20/52.), doch beim 22:24 drei Minuten vor Schluss war die abgezockte SG dem Sieg nahe. Jonsson, Häfner, Malasinskas und Nebojsa Simic aber belohnten die das gesamt Spiel über gefeierte MT doch noch für einen großartigen Kampf. – G.S.


Stimmen zum Spiel:

Nebojsa Simic (Torhüter MT Melsungen) ...

... zum Spiel: „Wir hätten mehr einfache Tore suchen müssen. Wir haben heute zu wenig schnelle Tore gemacht. Teilweise haben wir mit zwei Toren geführt und spielen dann so, dass wir den Vorsprung auf keinen Fall verlieren.“

... scherzend zu Torhüterkollege und Geburtstagskind Buric: „Du hast heute Geburtstag? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den letzten Siebenmeter reingelassen. Ich hatte keine Ahnung.“

... zur Frage, ob er über den verpassten Sieg enttäuscht sei: „Nein. Das ganze Spiel war zu eng. Manchmal haben wir mit zwei Toren geführt, manchmal lagen wir mit zwei hinten. In den letzten paar Minuten hatten wir nicht mehr so viel Energie und ich habe gedacht, dass wir nicht mehr zurückkommen, aber wir haben es geschafft. Am Ende haben es Kleinigkeiten entschieden und ich bin zufrieden mit dem Punkt.“


Finn Lemke (MT Melsungen) ...

... zu seinem persönlichen Befinden (in der Halbzeit): „Gerade super – die Halle ist voll, das Spiel ist toll. Handball macht momentan in Deutschland eh sehr viel Spaß zuzuschauen – leider aber aus einer Zuschauerrolle. Aber sonst geht es mir ganz okay.“


Julius Kühn (MT Melsungen) ...

... zu seinem Gesundheitsstand mit Blick auf sein Comeback (in der Halbzeit): „Ich habe jetzt meine ersten Schritte mal wieder in der Halle gemacht. Es fühlt sich eigentlich ganz gut an, es ist noch eine Restgefahr und ein leichter Schmerzen Schmerz vorhanden, aber das gehört leider auch dazu.Ich bin dennoch guter Dinge, dass ich bald wieder auf der Platte stehen kann und peile an, Anfang Dezember wieder spielen zu können.“


Roberto Garcia Parrondo (Trainer MT Melsungen) ...

… zu den Zielen nach seiner Vertragsverlängerung (vor dem Spiel): „Das Ziel ist jedes Jahr besser zu werden. Wir wollen ein erfolgreiches Team zusammenstellen, aber das braucht Zeit. Wir haben ein Projekt für die nächsten Jahre und sind überzeugt, dass wir erreichen, was wir uns vorgenommen haben.“

... zu möglichen Veränderungen seit Saisonstart (vor dem Spiel): „Wir haben viele neue Spieler in der Mannschaft, manche sind neu in der Liga. Sie brauchen Zeit, um zu zeigen, was sie können. Unser erstes Spiel war nicht gut, da waren die Spieler vielleicht nervös, aber jetzt haben wir ein paar Spiele gewonnen und sind auf einem guten Weg.“


Maik Machulla (Trainer SG Flensburg-Handewitt) ...

... zum Spiel: „Wenn man das ganze Spiel sieht, ist es ein gerechtes Ergebnis. Beide Mannschaften hatten ihre Momente, aber gerade am Ende hatten wir das Momentum mit der vier-Tore-Führung auf unserer Seite. Wir machen es auch gut dann, kriegen zwei Tore etwas zu schnell und haben selbst einen Angriff, wo wir kein Tor machen. Insgesamt finde ich, gerade in der Phase wo es eng ist, treffen wir viele gute Entscheidungen im Angriff. Das hätte ich mir in der ersten Halbzeit auch schon etwas mehr gewünscht, um sich einen größeren Vorsprung rauszuspielen. Wenn du mit dem Abpfiff dann den Ausgleich bekommst, bist du natürlich enttäuscht, aber ich kann der Mannschaft keine Vorwurf machen. Sie haben gekämpft wie die Tiere, über 60 Minuten eine super Abwehrleistung.“

... zur Frage, ob die freie Woche für Gespräche genutzt wurde (vor dem Spiel): „Wir besprechen immer grundsätzliche Dinge und wollen immer besser werden. Manchmal haben wir wenig Zeit, da bleibt ein bisschen was auf der Strecke. Wir haben die letzten Wochen viel Zeit damit verbracht zu reden, manchmal kann man Sachen auch totreden. Man muss dann auch auf der Platte die Dinge umsetzten. Wir haben gegen Erlangen ein gutes Spiel gemacht, sind aber noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Wir sind noch auf der Suche nach Stabilität und Ruhe.“

... zur aktuellen Situation des Teams (vor dem Spiel): „Wir müssen unsere Leistung bringen, stabil werden und wieder Vertrauen ineinander kriegen. Wir haben jetzt acht Spiele ohne Jim gespielt, davon haben wir sieben gewonnen. Aber wir haben aber auch nicht in jedem Spiel überzeugt und ein ganz schlechtes Spiel in Gummersbach gemacht. Die Mannschaft hat sich jetzt noch nicht ganz gefunden. Einige müssen mehr Verantwortung übernehmen. Einige haben - wenn der Kopf und der Körper etwas müde werden - dann in den entscheidenden Phasen nicht diese Souveränität und Ruhe, die sicherlich auch ein Jim hat. Dass die Jungs aber alle Handball spielen können ist klar – jetzt müssen wir es nur auf die Platte bringen.“


Benjamin Buric (Torhüter SG Flensburg-Handewitt) ...

... über den Punktgewinn zum Geburtstag: „Ich habe den Jungs vor dem Spiel in der Kabine gesagt, dass mein erster Wunsch zum Geburtstag zwei Punkte in Melsungen sind. Wir reisen jetzt direkt nach Rejkjavik und da habe ich gesagt, dass wir heute Abend – wenn Maik das zulässt – ein Bier zusammen trinken. Jetzt gucken wir nach dem Punktgewinn. Ich bin auf jeden Fall nicht zufrieden. “


Sky Experte Martin Schwalb ...

... zum Spiel: „Bei Flensburg ist nicht alles rund gelaufen, Melsungen hat sich den Punkt erkämpft – der wird ihnen guttun. Es war ein wichtiges Spiel für die Flensburger - mit etwas Abstand werden sie auch mit dem Punkt leben können, denn sie hätten es auch verlieren können. “

... über die sportliche Lage der Flensburger (vor dem Spiel): „Die Stabilität ist das Entscheidende. Es sind natürlich viele Automatismen durch den Ausfall von Jim Gottfridsson verloren gegangen. Verantwortlichkeiten müssen entwickelt werden – das heißt, es gibt ein paar neue Lösungen und Möglichkeiten. Da muss man erst den erfolgreichen Weg finden und das dauert seine Zeit. Wenn man weiß, dass die SG Flensburg-Handewitt immer jedes Spiel gewinnen will und immer unter Druck ist, dann ist klar, dass da etwas gesprächsbedarf ist.“


MT: Simic 15/2, Morawski n.e. – Malasinskas 4/2, Casado 4, Ignatow, Beekmann n.e, Ohl n.e, Drosten, Jonsson 3, Arnarsson 2, Gomes 2, Kalarash 2, Häfner 7, Hörr n.e., Fuchs n.e., Martinovic 1/1 – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

SG: Buric 1 Tor, 15/1 P, K. Møller (1 7m) – Golla 3, Hald, Kirschberger, Einarsson 1, Mensah, Søgard 4, Hansen 3, Pedersen, Jakobsen 3/1, Semper 1, Mensing 5, L. Møller 4, Lindskog – Trainer Maik Machulla.

Strafwürfe: 3/4 - 1/5 (Martinovic scheitert an Buric, 22:19 Min. – Jacobsen wirft über das Tor, 11:55 Min.; Jacobsen scheitert an Simic, 25:32; Hansen scheitert an Simic, 36:11; Møller scheitert an Simic, 58:55).

Zeitstrafen: 4 Min. – 2 Min. (Jonsson 16:58 Min. und 28:48 – Semper 20:29).

Schiedsrichter: Robert Schulze (Magdeburg) / Tobias Tönnies (Magdeburg)

Zuschauer: 4.309, Rothenbach-Halle Kassel


Die nächsten Spiele:

Do., 24.11.22, 19:05 Uhr, SC DHfK Leipzig – MT Melsungen, Quarterback Arena Leipzig

So., 04.12.22, 16:05 Uhr, MT Melsungen – Bergischer HC, Rothenbach-Halle.