Bremen - Die deutschen U16-Meisterschaften in Bremen waren eine beeindruckende Leistungsschau der besten Nachwuchsathleten des Jahrgangs 2004, die 695 Meldungen für diese Titelkämpfe abgegeben hatten. Auch die vielen Zuschauer, die dicht gedrängt auf der Tribüne saßen, kamen auf ihre Kosten, denn sie erlebten ein Leichtathletikfest mit einer grandiosen Stimmung, begeisternden Kämpfen und herausragenden Leistungen.

Der erste Startschuss galt den 300m-Hürdenläuferinnen, die diese Titelkämpfe eröffneten. Für den 300m-Lauf, der anschließend gestartet wurde hatten 21 Langsprinterinnen gemeldet. Dichte Wolken hingen über dem Bremer Sportpark als Vivian Groppe (MT Melsungen) mit weiteren sieben Läuferinnen vom Callroom zu ihrem Startblöcken geführt wurde. Und pünktlich begann es zu regnen. Aber Vivian, die ihren Sommerurlaub unter sonnig blauem Himmel für diese Meisterschaften unterbrach, und mit dem Flugzeug anreiste, zeigte sich von diesem nass-kalten Wetter unbeeindruckt. Hochmotiviert und gut vorbereitet kam sie nach Bremen, um mit einer Medaille wieder in den weiteren Drei strahlende Athletinnen - Silber für Vivian Groppe, Gold für Maja Schorr und Bronze für Lena Leege.Erholungsurlaub zurückzureisen. Schon im Vorlauf traf sie auf starke Konkurrenz, denn auf Bahn eins startete mit Liv Strohbach (Erzgebirge, 40,26), die mitteldeutsche Meisterin. Unmittelbar davor lief Mariam Soumah (Leipzig, 40,43), die bei diesen Meisterschaften den zweiten Platz belegt hatte. Auch die auf Bahn vier startende Lena Leege, lief als Berliner Meisterin 40,85. So konnte sich Vivian, die auf Bahn fünf gesetzt wurde, nicht an ihren Gegnerinnen orientieren. Obwohl sie die starke Konkurrenz im Nacken hatte, machte die 14-Jährige ihre Sache sehr gut und kam mit Vorsprung vor L. Leege auf die Zielgerade. Mit ihrer bisher zweitschnellsten Zeit von 40,41 Sekunden gewann sie nicht nur überzeugend diesen Lauf, sie erzielte auch die Tagesbestzeit. „Dieser Lauf hat sich sehr gut angefühlt. Ich glaube, dass es morgen noch schneller geht“, sagte die Melsunger Gesamtschülerin sehr selbstbewusst in Hinblick auf das 300m-Finale. Wie stark dieser erste Zeitvorlauf besetzt war, ließ sich an dem Ergebnis ablesen: Fünf Langsprinterinnen aus diesem Rennen standen am nächsten Tag im 300m-Finale. Es war ein großartiger Auftritt von Vivian, vor allem wie sie die starken Schülerinnen aus Sachsen beherrschte, die bei den mitteldeutschen Meisterschaften mit Zeiten unter 41 Sekunden auftrumpften. Wäre sie auf den letzten Metern durchgelaufen, hätte sie den Hessenrekord von 39,70 Sekunden in Gefahr gebracht. Aber da sie 35 Minuten nach dieser grandiosen Vorstellung bereits beim ersten 100m-Vorlauf auf dem Plan stand, musste sie mit ihren Kräften haushalten und sparsam umgehen. Im zweiten 300m-Vorlauf setzte sich erwartungsgemäß Maja Schorr (Saarbrücken) durch. Die süddeutsche Meisterin lief mit angezogener Handbremse und siegte souverän mit 40,71 Sekunden vor Nele Fiedler (Chemnitz, 41,05) und Nele Kühn (Frankfurt, 41,93).

Nach einer Lockerungsmassage lief sie im ersten von fünf Vorläufen auf Bahn sechs neben Mira Baus (Schlüchtern), Dritte der hessischen U16-Meisterschaften. Man merkte deutlich, dass Vivian nach dem 300m-Lauf die Explosivität am Start und in der Beschleunigungsphase fehlte. Sie lag nach der Hälfte der Strecke nur auf Rang sechs, arbeitete sich aber auf den letzten 50 Metern nach vorn und überholte noch Clara Wagner (LG Filder), die Fünfte der Süddeutschen Meisterschaften, kurz vor dem Zielstrich. Mit dieser Energieleistung erfüllte sie sich ihr erstes Ziel bei diesen deutschen Meisterschaften: Sie qualifizierte sich mit 12,36 Sekunden direkt für das 100m-Finale und gehörte damit zu den schnellsten acht W15-Schülerinnen in Deutschland. Clara Wagner belegte mit 12,43 Sekunden den zweiten Platz vor Mira Baus (12,49 sec.).

Im 100m-Finale, das nur 145 Minuten nach dem 300m-Vorlauf stattfand, kam die schnelle MT-Sprinterin nicht mehr so reaktionsschnell und flüssig wie gewohnt us dem Startblock. Es war verständlich, dass auch schnelle Antritt ausblieb, denn ihre Beine fühlten sich immer noch sehr schwer an. Während vorne die Post abging, lag Vivian nach zwanzig Metern schon hoffnungslos zurück. Laura Müller (Unterländer LG) verbesserte mit 11,74 Sekunden die alte DLV-Bestleistung von Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid, 11,80) aus dem Jahr 2014. Auch Alina Vollert (Chemnitz) blieb bei diesen guten Bedingungen mit einem zulässigen Rückenwind als Zweite mit 11,94 ebenfalls unter der 12-Sekunden-Marke. Die Bronzemedaille sicherte sich Carolin Schlung (Bad Sooden-Allendorf) mit 12,20 Sekunden, die bei den süddeutschen Meisterschaften in Koblenz mit ebenfalls 12,20 hinter Vivian Groppe den dritten Rang belegt hatte. Auf den nächsten Plätzen ging es recht knapp zu. Lia Flotow (Rostock), im Vorjahr Deutschlands schnellste W14-Sprinterin, verdrängte mit 12,30 Sekunden Elisabeth Heinze (Ludwigsfelde, 12,33) und Mona Mark (Augsburg, 12,34) auf die Ränge fünf und sechs. Vivian, die auf dem zweiten Teil der Strecke wieder viel Boden gut machen konnte, holte sich mit 12,36 Sekunden den siebten Platz vor Clara Wagner (12,49 sec.).

Am zweiten Meisterschaftstag wartete man gespannt auf das 300m-Finale. Für die drei schnellsten Läuferinnen hatte das Los folgendes ergeben: Vivian Groppe musste auf Bahn vier unmittelbar vor Maja Schorr starten. Der Startblock für Lena Leege stand auf Bahn sechs.

In ihrem erst sechsten 300m-Lauf muss man Vivian Groppe eine gewachsene Klasse bescheinigen, denn dieser Langsprint war eine Augenweide. Die ersten 200 Meter lief sie in 26 Sekunden großartig an und kam mit einem winzigen Vorsprung vor der DLV-Jahresbesten Maja Schorr und Lena Leege auf die Zielgerade. 60 Meter vor dem Ziel fiel die Entscheidung für die süddeutsche Meisterin, die mit an Vivian vorbeilief und sich ihren ersten deutschen Meistertitel mit 39,47 Sekunden holte. Vivian, die Maja Schorr lange Zeit Paroli bieten konnte, verbesserte sich auf 40,04 Sekunden vor Lena Leege (40,24). Als Vierte blieb Liv Strohbach mit 40,82 ebenfalls noch unter 41 Sekunden. Auf den weiteren Plätzen folgten mit Mariam Soumah (Leipzig, 41,02) und Nele Fiedler (Chemnitz, 41,06) die beiden Schülerinnen aus Sachsen. Die vom Hessischen Leichtathletik-Verband im HLV-Kader geförderte Nele Kühn (Frankfurt) sicherte sich mit der persönlichen Bestzeit von 41,65 Sekunden den siebten Platz.

Vivian, die vor einem Jahr bei den Landesmeisterschaften mit 47,18 Sekunden den neunten Rang belegt hatte und seit dieser Zeit mehr als sieben Sekunden schneller wurde, stellte ihr Talent in Bremen erneut unter Beweis. Neben der nötigen Schnelligkeit brachte sie auch noch die Tempohärte mit, die man für gute Rennen im Langsprint benötigt, um sich durchsetzen zu können. So sah es auch der DLV-A-Trainer Sprint, Thomas Kremer aus Dortmund, der von Vivian´s Auftreten beeindruckt war und sie für einen DLV-Lehrgang nach der Saison notierte.

Luis André, der zweifache süddeutsche Schülermeister durfte in Bremen noch nicht an den Start gehen, weil der Jahrgang 2005 noch nicht startberechtigt war. Mit seiner Koblenzer Kugelstoßleistung von 15,70 Meter hätte „Big-Luis“ bei den deutschen Meisterschaften 2019 bereits hinter Mikosch Dahmen (München, 15,78 m) den vierten Platz belegt. Aber es wäre vielleicht sogar noch mehr drin gewesen, denn mit seiner Trainingsbestweite von 16,28 Meter, hätte er sogar um den Titel mitstoßen können. So muss Luis noch ein Jahr warten, um wie seine Klassenkameradin Vivian Groppe, bei den nationalen Titelkämpfen auf dem Treppchen zu stehen.

Mit Sophia Hog war noch eine Athletin von der MT Melsungen aktiv. Die 19-Jährige, die ab September ein freiwilliges Jahr beim Bremer Leichtathletik-Verband absolviert, wurde bei den U16-Meisterschaften als Kampfrichter-Helferin eingesetzt und war für den Rücktransport der Disken verantwortlich.


Text und Fotos: Alwin J. Wagner