Friedberg - Bei den hessischen Meisterschaften der Männer und Frauen, an denen fast 300 Athleten aus 89 Vereinen teilnahmen, blieben die absoluten Top-Leistungen aus, weil durch den späten Termin einige HLV-Spitzenathleten diesen Titelkämpfen fernblieben. So wurde das Leistungsniveau überwiegend von einigen aufstrebenden Nachwuchsathleten bestimmt, die bereits eine Woche vorher bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Heilbronn erfolgreich waren.

Vivian Groppe von der Melsunger Turngemeinde, die in Heilbronn über 200 Meter mit „Bronze“ ausgezeichnet wurde, verzichtete in Friedberg auf einen 100m-Start, denn drei Sprints bei dieser Hitze hätten viel Kraft gekostet. So verzichtete die 15-Jährige auf eine weitere Medaille, vielleicht sogar auf Gold und konzentrierte sich ganz auf die 200 Meter, wo sie im letzten Rennen noch einmal eine Zeit unter 25 Sekunden laufen sollte.

Achtzehn Läuferinnen ermittelten in vier Zeitendläufen ihre 200m-Landesmeisterin. Susan Münchenbach (Viernheim) blieb im zweiten Lauf mit 26,80 Sekunden knapp hinter der Siegerzeit von Estelle Hode (Freigericht) 26,73) im ersten Lauf zurück. Im dritten Rennen setzte sich Helena Brich (Seligenstadt, 25,57 sec.) Erneut hatte die 15-jährige Grund zum Strahlen: Gold über 200 m bei den Frauen.überraschend vor Kim Goldbach (LG Alheim, 25,84) durch. Die vermeintlich sechs schnellsten Sprinterinnen starteten im abschließenden vierten Zeitendlauf, der die Entscheidung bringen musste.

Auf Bahn drei lief Vivian Groppe unmittelbar hinter Nadine Mercier, der frisch gekürten 100m-Meisterin mit 12,28 Sekunden. Auf Bahn fünf startete mit Carolin Klupsch eine weitere Hessenmeisterin, denn die Mehrkämpferin aus Vellmar hatte sich den Weitsprungtitel mit 5,96 m geholt. Anna Hülsmann (Bad Nauheim), Bahn zwei und Lea Seyffert (Selters), Bahn sechs, komplettierten das fünfköpfige Feld.

Vivian Groppe erwischte einen guten Start und lag eingangs der Zielgeraden vor N. Mercier in Führung. Es war eine Augenweide, in welcher Art und Weise die 15-Jährige nach wenigen Metern an der vor ihr laufenden Konkurrenz vorbei sprintete und auf bis zum Schluss auf Goldkurs lag. Nachdem in den ersten drei Läufen der Wind von hinten drückte, drehte sich dieser im letzten Lauf und blies von vorn. Unter besseren Windbedingungen wäre eine Zeit zwischen 24,60 und 24,70 möglich gewesen. Aber auch mit 24,91 Sekunden unterbot Vivian nicht nur die Siegerzeit des Vorjahres von Maira Gauges (Frankfurt, 25,18), sie schrieb auch mit ihrem Sieg Geschichte, denn noch nie vorher hatte eine 15-Jährige einen Landestitel in der Frauenklasse gewinnen können.

Während Vivian vor Freude die Arme in die Höhe reckte und strahlte, war die erste Reaktion auf den Einlauf im Ziel Ernüchterung, ja Enttäuschung. Von dem erwarteten Dreikampf zwischen Vivian Groppe, Nadine Mercier und Antonia Schrimpf (Fulda), die mit 11,72 (100 m) und 24,99 Sekunden in der Meldeliste stand, blieb nicht viel übrig. Im Ziel hatte die 15-Jährige von der Melsunger Turngemeinde gegen Mercier, die mit 24,99 Sekunden gemeldet war, einen klaren Vorsprung von mehr als einer halben Sekunde herausgelaufen. A. Schrimpf hatte nach ihrem enttäuschenden zweiten Platz im 100m-Finale mit 12,40 Sekunden auf den 200m-Lauf sogar verzichtet.

„Vivian hat in diesem Jahr erneut einen enormen Leistungssprung im Sprintbereich gemacht, der meine Erwartungen übertraf“, sagte Alwin Wagner, der zu Beginn des Jahres eine Saisonbestzeit um 25 Sekunden geplant hatte. Mit 24,51 – 24,59 – 24,79 – 24,90 – 24,91 und 24,95 blieb die U18-Sprinterin sechsmal unter dieser Marke und wird auf dieser Strecke in der aktuellen deutschen Bestenliste auf Rang fünf geführt. Mit ihren zwei Goldmedaillen über 100 und 200 Meter sowie ihren drei Silbermedaillen gehört die Melsunger Gesamtschülerin zu den erfolgreichsten hessischen Jugendsprinterinnen des Jahres 2020.


Text und Fotos: Alwin J. Wagner