Rochlitz - Beim 15. Sparkassen Kugelstoß-Meeting in Rochlitz, das unter strengen Hygieneauflagen mit der gesamten deutschen Spitzenklasse unter den Augen der Bundes- und Heimtrainer ausgetragen wurde, setzten sich erwartungsgemäß die Favoriten durch.

Bei den Männern brach der in Rochlitz geborene David Storl, Kugelstoßweltmeister von 2011 und 2013, nach dem zweiten Versuch den Wettkampf ab und rannte aus der Halle. Bei seiner Ehefrau Marie hatten die Wehen eingesetzt und „Storli“ wollte rechtzeitig zur Geburt seines zweiten Kindes im Krankenhaus sein. Zu diesem Zeitpunkt lag er mit 20,18 Metern bereits klar in Führung. Dennis Lewke (ebenfalls Leipzig) sicherte sich mit 19,64 Metern den zweiten Platz vor Christian Zimmermann (Kirchheim, 19,48 m). Auf den Rängen vier und fünf folgten mit Tobias Dahm (19,30 m) und Simon Bayer (19,18 m) zwei Athleten vom VfL Sindelfingen.

Bei den Frauen dominierte die 35-Jährige Chistina Schwanitz, die Weltmeisterin von 2015 sowie Europameisterin von 2014 und 2016 mit 18,93 Metern. Katharina Maisch, ebenfalls LV Erzgebirge, belegte mit 17,86 m den zweiten Platz vor Sara Gambetta (Halle, 17,67 m) und Julia Ritter (Wattenscheid, 17,31 m).

Luis beim Eindrehen mit der Kugel.Zu Beginn der Veranstaltung, die auch im Livestream des MDR ausgestrahlt wurde, stand die deutsche Spitzenklasse der U18 im Focus. Luis Andre (MT Melsungen) stellt seit November seine Kugelstoßtechnik auf den Drehstoß um. Während beim Angleiten der Athlet mit dem Rücken zur Stoßrichtung steht und zum Auftakt den rechten Fuß bis zur Mitte des Ringes zieht, um den Stoß einzuleiten, verlängert der Drehstoßtechniker seine Ausholbewegung, indem er sich um die eigene Achse dreht und den Schwung aus dieser 540-Grad-Rotation auf die Kugel überträgt. „Aber um diese Technik zu erlernen, benötigt man Zeit, viel Zeit“, sagte Alwin Wagner, der den Ausgang des Wettkampfdebüts seines Schützlings geahnt hatte. Sein Drehstoßeinstand ging nicht nur gründlich daneben, Luis kassierte auch die erste Niederlage gegen eine gleichaltrige Konkurrenz. „Ich war ziemlich angespannt, denn ich wollte mich dem Bundestrainer von meiner besten Seite präsentieren“, sagte der 15-Jährige, dem man die Nervosität bei jedem seiner sechs Versuche anmerkte.

Beim Einstoßen zeigte er den Anwesenden, dass er in den zurückliegenden Wochen gut trainiert hatte. Zum ersten Mal wuchtete er die 5kg-Kugel aus dem Stand an die 16m-Marke. „Luis hätte mit der alten Technik heute über 17 Meter gestoßen“, meinte Wagner. Aber dieses Thema ist abgehakt. Wieder aus dem Angleiten zu stoßen, sei ein Rückschritt sagte der Bundestrainer - auch wenn es zurzeit überhaupt noch nicht klappt.

Etwa 150 Drehstöße hat Luis seit November 2020 absolviert. Nach Wagner benötigt aber Deutschlands bester U16-Kugelstoßer des Vorjahres mindestens noch zehnmal so viele Stöße, um Schnelligkeit, Beweglichkeit, Kraft und koordinatives Vermögen in einer Bewegung zu vereinen. Er empfahl deshalb seinem Schützling in Rochlitz den ersten Stoß aus dem Stand durchzuführen, um mit einer Anfangsweite zwischen 15,50 oder gar 16 Metern eine gewisse Sicherheit zu haben. Aber der Bundestrainer wollte alle Wettkampfstöße aus der Drehung sehen.

Der Melsunger begann sein Drehstoß-Wettkampfdebüt mit 13,82 Meter. Unzufrieden mit dieser Weite ließ er im zweiten Durchgang einen Standstoß folgen. Aber als er beim Abstoß die Hand ausklappen und mit den Fingern nachdrücken wollte, lief ihm die 5kg-Kugel über seine Finger, so dass die Kugel bei 14,37 Meter bereits wieder Kontakt mit der Matte hatte. Im dritten Durchgang wollte er den fachkundigen Beobachtern zeigen, dass er in der Lage ist, aus dem Stand 16 Meter und mehr zu stoßen. Aber schon beim Betreten des Kreises merkte man ihm seine Aufgeregtheit an. Und so kam, was kommen musste: Auch dieser Stoß verfehlte mit 14,28 Meter deutlich das angestrebte Ziel.

Bei den letzten drei Durchgängen versuchte es der Melsunger Gymnasiast wieder mit der Drehstoßtechnik. Aber unter Druck das schnelle Tempo im Kreis mit dem koordinativen Vermögen in der Bewegung zu vereinen, gelingt selbst manchmal den absoluten Topathleten nicht. So gab es für den erfolgsverwöhnten Luis André nicht nur drei ungültige Stöße, sondern auch die erste Niederlage gegen einen Gleichaltrigen.

Der ein Jahr ältere Lukas Schober (SG Weißig) überzeugte als souveräner Sieger mit hervorragenden 19,47 Meter. Damit hat er das Ticket für die U18-EM, die Ende August 2021 in Rieti ausgetragen wird, so gut wie sicher gelöst. Auf dem zweiten Platz landete Mikosch Dahmen; allerdings konnte der Münchener mit 16,96 m nicht überzeugen, da er als Drehstoßer mit seiner Vorjahresweite von 17,69 Meter nach Rochlitz anreiste.

Auf den Plätzen drei bis sechs folgten die Drehstoßer vom Jahrgang 2005. Ole Mehlberg (Neubrandenburg) kam 2020 mit der 4kg auf 15,28 Meter und steigerte sich mit der 5kg-Kugel als Dritter auf 15,91 Meter. Georg Harpf (Ingolstadt) verfehlte seine Bestleistung von 16,39 Meter um über einen halben Meter, aber seine 15,86 Meter reichten zu Rang vier. Shaw-Paul Fritzsche (Vorwärts Zwickau) freute sich über seine Steigerung mit dem 5kg-schweren Eisenball auf 15,20 Meter, nachdem er im Vorjahr mit der ein Kilo leichteren Kugel auf 15,91 Meter kam.

Luis André belegte bei dieser starken Konkurrenz mit seinem verunglückten Standstoß von 14,37 m nur Rang sechs. „In ein paar Monaten wird Luis sein hohes Drehtempo im Kreis auf den Abstoß übertragen und seine Kraft hinter die 5kg-Kugel bringen können, um sie weit in den Sektor zu wuchten“, sagte Alwin Wagner, nachdem ihn einige der anwesenden Trainer nach dem Grund der schwachen Vorstellung gefragt hatten. Abgerechnet wird nach Wagner erst bei den deutschen U18-Meisterschaften am 01. August in Rostock.

Der 20-jährige Timo Northoff (TV Wattenscheid), der sich im Wettbewerb als Sieger der U23 auf 18,93 Meter steigerte und damit bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund eine reelle Endkampf-Chance im Männerwettbewerb besitzt, machte dem Melsunger Aushängeschild für die Umstellung auf die Drehstoßtechnik Mut, als er ihm sagte, dass er bei seinem U18-WM-Titel in Nairobi (Kenia) mit der damaligen Welt-Jahresbestweite von 20,74 Meter fast vier Meter aus der Drehung weiter stoßen konnte als aus dem Stand.

Einen weiteren Höhepunkt gab es im Kugelstoßen der U20, wo vier DLV-Nachwuchsathleten über die 18m-Marke kamen. Der Münchner Dominik Idzan holte sich mit 18,89 Metern den Sieg vor Kevin Reim (Schwarzenberg, 18,80 m) und Claudio Stoessel (Neubrandenburg, 18,66 m) und dem eigentlichen Favoriten Steven Richter (Erzgebirge, 18,43 m), der ein wenig hinter den Erwartungen zurückblieb.


Text und Fotos: Alwin J. Wagner