Kassel - Die Tage werden kürzer, das Wetter rauer. Die Rennradler sind bereits im Winterschlaf und die Rennsaison der Mountainbiker ist ebenfalls vorüber. Jetzt beginnt die Zeit der Rad-Crosser oder auch Cyclocrosser. Das Sportgerät ist nicht das Mountainbike, sondern das Cyclocross-Rad; dem Rennrad sehr ähnlich, aber mit dickeren Reifen.

Ganz anders dagegen die Strecken: Auf einem Gelände-Parcours wechseln sich Lauf- mit Fahrstrecken ab. Es gilt, mit dem Rad auf der Schulter einen Steilhang zu überwinden oder Hindernisse zu überspringen. Und man fährt oder läuft durch Schlamm und Sandbunker. Dazu gibt es festgelegte maximale Rennzeiten je Altersklasse.

Ursprünglich in den 1900er Jahren als Wintertraining für die Strassenrennfahrer erdacht, entwickelte sich der Sport bald zu einer eigenen Disziplin. Bereits 1950 gab es die ersten Weltmeisterschaften. Entstanden in Frankreich, ist heute Belgien das Mutterland des Cyclocross; spektakuläre Wettbewerbe mit Volksfestcharakter und zigtausenden Zuschauern an den Strecken sind die Regel. In Deutschland waren Querfeldeinrennen in den 1960ern bis in die 1990ger Jahre weit verbreitet. Rolf Wolfshohl, Klaus Peter Thaler und zuletzt Mike Kluge hießen die Weltmeister. Im Jahr 2000 wurde Hanka Kupfernagel Weltmeisterin bei den Frauen.

Und Nordhessen? Mit dem siebenfachen Hessenmeister Heinz Dung, Hessenmeister Willi Huy, den erfolgreichen Reinhard und Martin Bornmann von der Zweirad-Gemeinschaft Kassel und den Kretschmer-Brüdern vom RSC Fuldabrück gab es viele gute Crosser und viele Veranstaltungen im Raum Kassel. Auf dem Hegelsberg etwa veranstaltete die ZG Kassel 1970 eine deutsche Meisterschaft. Der RSC Fuldabrück veranstaltete etwa 1995 das letzte Crossrennen im Radsportbezirk Kassel. Danach verdrängte das Mountainbike das Querfeldein-Rad und es wurde ruhig um die Cyclocrosser.

Seit einigen Jahren aber schwappt die »Gravel-Bike-Welle« aus den USA in die gesamte Radsportwelt. Die dabei genutzten »Gravel-Bikes« sind nur leicht entschärfte Cyclocross-Räder. Und dadurch wurde auch das Ur-Sportgerät wieder neuentdeckt – auch in Deutschland. Die Saison 2018/19 zählt bundesweit bereits 70 Wettbewerbe. Die Teilnehmerzahlen steigen und die Radsportfachgeschäfte dürfen sich über eine verstärkte Nachfrage nach den geländegängigen Rennrädern freuen.

In der Zweirad-Gemeinschaft Kassel legen Trainer Roman Völker und Jugendleiter Rainer Jacob bereits seit drei Jahren verstärkten Wert auf die Querfeldeinrennen. »Das Crossrad verlangt eine Menge an Steuertechnik und ist damit die ideale technische Grundlage für Rennrad und MTB«, so Jacob. Und Völker ergänzt: »Crossrennen sind vielleicht die härteste Disziplin im Radsport. Über die gesamte Rennzeit ist ein Ausruhen unmöglich und zum reinen Treten kommen noch Koordination und Motorik hinzu.« Der Erfolg gibt den beiden Recht. So erfuhren sich etwa Jannis Tillack und Ben Völker von der ZG Kassel in den vergangenen Jahren die Vizemeistertitel in Hessen in den Altersklassen U17, U19 und U23. Ebenfalls starke Cross-Fahrer sind die Senioren Holger Wiegmann und Jürgen Klingner. Zusammen mit den weiteren Fahrern um Maurice Gautier, Samuel Brachmann, Sebastian Cebula oder Lukas Hüstebeck stehen die ZG-Fahrer bis zum Jahresende bei einer Vielzahl an bundesoffenen Crossrennen in der gesamten Republik am Start.

Auch Nordhessen und der Radsportbezirk Kassel profitieren. Damit der Sport in unserer Region aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, veranstaltet die Zweirad-Gemeinschaft am 17. November 2018 in Hessisch-Lichtenau/Hirschhagen das Rennen „Rund um das Waldhorn“. Start und Ziel dieses Premieren-Rennens befinden sich direkt neben der Gaststätte Waldhorn, die ersten Rennen beginnen um 12 Uhr. Bei diesem bundesoffen ausgeschriebenen Rennen starten alle Klassen mit Lizenz, in den Nachwuchsklassen sind auch Hobbyfahrer zugelassen. Bis zur Altersklasse U17 darf zudem mit dem Mountainbike gestartet werden. Die ZG Kassel freut sich auf viele Aktive und Zuschauer – die nämlich haben bei dieser Art Rennen den riesigen Vorteil, sehr große Teile der Strecke einsehen zu können und unmittelbar am Geschehen zu stehen. Ganz sicher auch ein Grund, warum mehrere Tausend Belgier an jedem Wochenende ihren Helden in Matsch und Dreck zujubeln.

Weitere Informationen auf der Internetseite der ZG: www.zweirad-kassel.de.


von Roman Völker